Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (nach Spanien), da dem Bundesamt die Adresse des Antragstellers vor Bescheiderlass bekannt geworden ist und es ihn trotzdem nicht zum persönlichen Gespräch eingeladen hat.
(Leitsätze der Redaktion)
23 Im vorliegenden Fall liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Dublin III-VO vor, weil der Antragsteller vor Erlass des Bescheids vom 23. April 2018 nicht angehört bzw. das persönliche Gespräch nicht geführt wurde.
24 Einer der in Art. 5 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Ausnahmefälle liegt nicht vor. Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid ausführt, dass der Antragsteller nach der Vernehmung durch die Bundespolizei in keiner Aufnahmestelle erschienen ist und somit nicht zum persönlichen Gespräch gemäß Art. 5 Dublin III-VO geladen werden konnte und er dadurch seine Mitwirkungspflicht erheblich verletzt hat, entsprechen diese Ausführungen nicht den Tatsachen. Vielmehr war dem Bundesamt im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 23. April 2018 – nach Aktenlage augenscheinlich mangels Weitergabe der entsprechenden Informationen durch andere Behörden – nicht bekannt, dass das Bundesverwaltungsamt bereits am 6. März 2018 das Land Bayern als das zur Aufnahme bestimmte Land bestimmt hat und die "Landesstelle des Freistaates Bayern für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen" mit Zuweisungsentscheidung vom 7. März 2018 den Antragsteller dem Jugendamt ... zur Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII zugewiesen hat (vgl. Bl. 19/20 der Gerichtsakte).
25 Das Bundesamt hat das erforderliche persönliche Gespräch aber selbst dann nicht durchgeführt bzw. den Antragsteller (ordnungsgemäß) hierzu geladen, nachdem ihm am 14. Mai 2018 zum einen das Schreiben der Ausländerbehörde des Landratsamtes ... vom 9. Mai 2018 (Mitteilung der Adresse des Antragstellers, s. Bl. 83 der Bundesamtsakte) und zum anderen das (Fax-)Schreiben des Jugendamtes ... vom 14. Mai 2018 (Mitteilung über die Minderjährigkeit des Antragstellers und Vormundbestellung, Bl. 98 der Bundesamtsakte) zuging. Vielmehr hat das Bundesamt trotz dieser Mitteilungen lediglich die Adresse auf dem Bescheid vom 23. April 2018 (handschriftlich) geändert (s. Bl. 84 der Bundesamtsakte) und eine erneute Zustellung dieses Bescheids veranlasst, nämlich den Bescheid mit den Anschreiben vom 23. Mai 2018 (s. Bl. 91und 95 der Bundesamtsakte) an den Antragsteller persönlich (nicht an das Jugendamt als dessen Vormund) sowie an die Ausländerbehörde gesandt.
26 Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 17. Januar 2017 (Az.: 2 BvR 2013/16, juris Rn. 20) zu einem Verstoß gegen Art. 5 Dublin III-VO ausgeführt:
27 "Unionsrechtlich spricht nach den den Drittschutz von Bestimmungen der Dublin-III-VO stärkenden Entscheidungen des EuGH vom 7. Juni 2016 (C-63/15 - Ghezelbash -, juris, Rn. 34 ff. und C-155/15 - Karim -, juris, Rn. 19 ff.) vielmehr manches dafür, dass das erstmals in der Dublin-III-VO eingeführte obligatorische persönliche Gespräch mit dem Asylbewerber für die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids beachtlich ist. Denn in einem solchen Gespräch können sowohl die Voraussetzungen für vorrangige Zuständigkeitsgründe nach Art. 8 ff. Dublin-III-VO als auch für eine Ausübung des Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin-III-VO geklärt werden (vgl. Erwägungsgrund 17 und 18 der Dublin-III-VO)".
28 Auch im vorliegenden Fall hätte das Bundesamt in einem persönlichen Gespräch mit dem Antragsteller zum einen Zuständigkeitsgründe nach Art. 8 Dublin III-VO als auch ggf. sein Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO klären müssen. [...]