VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 20.03.2018 - 7 K 7529/17 - asyl.net: M26375
https://www.asyl.net/rsdb/M26375
Leitsatz:

1. Voraussetzung für die Aufnahme nach §27 BVFG ist ein Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet.

2. Der Wohnsitzbegriff wird nach den Regeln des BGB bestimmt.

3. Die Verlegung des Wohnsitzes verlangt außer der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Aufnahmebescheid, Bundesvertriebenengesetz, Wohnsitz, Aussiedlungsgebiet,
Normen: BVFG § 27 Abs. 1 S. 1, BVFG § 4 Abs. 1 Nr. 3,
Auszüge:

[...]

15,16 [...] Spätaussiedler kann hiernach grundsätzlich nur derjenige sein, der bis zur (beabsichtigten) Einreise in die Bundesrepublik Deutschland auch im Aussiedlungsgebiet ansässig war. Der Statuserwerb ist damit auf Bevölkerungsgruppe beschränkt, deren typisches Kriegsfolgenschicksal im Aussiedlungsgebiet besteht. Dies setzt grundsätzlich einen kontinuierlichen Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet voraus (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 27.09.2016 - 1 C 19.15 - (zur Parallele zwischen dem Merkmal des Verbleibens im Aussiedlungsgebiet nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG und dem Erfordernis eines ununterbrochenen Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet nach § 4 Abs. 1 BVFG, dort Rn. 13)).

17 Demzufolge wird nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG auch ein Aufnahmebescheid nur Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt. Diesen Wohnsitz hat die Klägerin spätestens mit der Ausreise nach Dubai im Dezember 2014 aufgegeben.

18,19 Der Wohnsitzbegriff des Bundesvertriebenengesetzes entspricht dem des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), so dass die Frage, ob ein Aufnahmebewerber seinen Wohnsitz (noch) im Aussiedlungsgebiet hat bzw. hatte, nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 BGB zu beantworten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.01.1989 - 9 B 356/88 -; OVG NRW, Beschluss vom 24.05.2006 - 12 A 613/04).

20,21 Nach § 7 Abs. 1 BGB begründet, wer sich an einem Ort ständig niederlässt, an diesem Ort seinen Wohnsitz. Nach § 7 Abs. 3 BGB wird der Wohnsitz aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben. Der Wohnsitz wird begründet durch die tatsächliche Niederlassung verbunden mit dem Willen, den Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Erforderlich ist also in objektiver Hinsicht eine Niederlassung in dem Sinne, dass der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse am Ort der Aufenthaltnahme gebildet wird, und in subjektiver Hinsicht der Wille, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse dort dauernd beizubehalten. Nicht erforderlich ist der Wille, sich lebenslang an einem bestimmten Ort niederzulassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.06.1990 - 2 BvR 116/90 -; BVerwG, Urteil vom 9.11.1967 - VIII C 141/67).

22,23 Es ist eine Tatfrage des Einzelfalls, ob und gegebenenfalls wann ein ständiger Aufenthalt an einem bestimmten Ort begründet wird. Dabei sind alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.11.1967 - VIII C 141/67).

24,25 Die Aufhebung des Wohnsitzes verlangt außer der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen. Auch der Aufgabewille ist aus den konkreten Umständen des Einzelfalles zu ermitteln und kann häufig aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die bisherige Niederlassung für lange Dauer, insbesondere mit dem Ziel der Auswanderung, verlassen und ein neuer Wohnsitz begründet worden ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.09.1996 - 2 A 3387/93 - (nicht veröffentlicht); Beschluss vom 24.05.2006 - 12 A 613/04 -; Urteil vom 30.08.2012 - 11 A 2558/11). [...]