LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.04.2018 - L 15 AS 9/18 B ER - asyl.net: M26398
https://www.asyl.net/rsdb/M26398
Leitsatz:

Das Daueraufenthaltsrecht familienangehöriger Unionsbürger bestimmt sich nach dem Tod des Unionsbürgers, bei dem sie im Zeitpunkt seines Todes ihren ständigen Aufenthalt hatten, ausschließlich nach den Voraussetzungen des § 4a Abs. 3 FreizügG/EU.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Unionsbürger, drittstaatsangehöriger Ehegatte, freizügigkeitsberechtigt, verwitwet, Familienangehörige, Leistungsausschluss, Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche, Daueraufenthaltsberechtigte, Daueraufenthalt, Analogie,
Normen: FreizügG/EU § 4a Abs. 3, FreizügG/EU § 2 Abs. 2, FreizügG/EU § 3 Abs. 3 S. 1,
Auszüge:

[...]

16 Entgegen der Auffassung des SG kann die Antragstellerin sich hinsichtlich eines Aufenthaltsrechts auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 3 S. 1 FreizügG/EU berufen. Diese Vorschrift beinhaltet für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die selbst nicht Unionsbürger sind, beim Tod des Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht, wenn sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 FreizügG/EU erfüllen und sich vor dem Tod des Unionsbürgers mindestens ein Jahr als seine Familienangehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben. Unabhängig davon, dass der Gesetzgeber das Daueraufenthaltsrecht nicht erwerbstätiger Unionsbürger nach dem Tod ihres Ehegatten abschließend in § 4a Abs. 3 FreizügG/EU geregelt hat, so dass für eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 3 S. 1 FreizügG/EU kein Raum bleibt, würde auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift der Antragstellerin kein Aufenthaltsrecht verschaffen, weil sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 FreizügG/EU gerade nicht erfüllt.

17 Die vom SG angenommene Schlechterstellung von familienangehörigen Unionsbürgern gegenüber familienangehörigen Nicht-Unionsbürgern beim Tod des Unionsbürgers, den sie begleitet haben oder dem sie nachgezogen sind, kann der Senat nicht erkennen:

18 Der Gesetzgeber hat mit dem FreizügG/EU vom 30. Juli 2004, gültig ab 1. Januar 2005, die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, gültig ab 30. April 2004 (Unionsbürgerrichtlinie <UBRL>) umgesetzt. Art. 12 UBRL enthält Maßgaben zur Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Tod oder Wegzug des Unionsbürgers. Grundsätzlich berührt der Tod oder Wegzug eines Unionsbürgers danach nicht das Aufenthaltsrecht seiner Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen. Bevor die Betroffenen ein Daueraufenthaltsrecht erwerben, müssen sie die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a), b), c) oder d) UBRL erfüllen, mithin für sich selbst und ihren Lebensunterhalt sorgen können, ohne auf Sozial- (hilfe)leistungen des Aufnahmemitgliedsstaates angewiesen zu sein. Entsprechendes gilt gemäß Art. 12 Abs. 2 UBRL für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, allerdings unter der weiteren (zusätzlichen) Voraussetzung, dass sie sich als Familienangehörige im Aufnahmemitgliedstaat vor dem Tod des Unionsbürgers mindestens ein Jahr lang aufgehalten haben. Die UBRL selbst enthält daher keine Privilegierung von Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, gegenüber familienangehörigen Unionsbürgern.

19 Das FreizügG/EU setzt in den oben bereits genannten Vorschriften diese Maßgaben vollständig um. Allerdings hat der Gesetzgeber für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die selbst Unionsbürger sind, in § 4a Abs. 3 FreizügG/EU eine über Art. 12 UBRL hinausgehende Regelung geschaffen, indem er ihnen ein Daueraufenthaltsrecht unter den dort aufgeführten Voraussetzungen und unabhängig von den Maßgaben des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FreizügG/EU gewährt. [...]