Rechtmäßige Ablehnung des Visumsantrags zum Zwecke des Studiums trotz unbedingter Hochschulzulassung:
Dem Auswärtigen Amt steht bei der Feststellung, ob eine antragstellende Person ein Studienvisum missbräuchlich beantragt, ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Hierfür kann das Auswärtige Amt eine eigene Prognose hinsichtlich der zu erwartenden Leistungen der betroffenen Person im Hinblick auf den angestrebten Aufenthaltszweck - Studium mit Studienabschluss - bilden.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
2. Die Ablehnung des Visumsantrags, die vorliegend auf § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG gestützt wird, ist nicht zu beanstanden.
a) Der Kläger erfüllt zwar die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 AufenthG. Er verfügt über eine unbedingte Zulassung der Hochschule, in der auch hinreichende Sprachkenntnisse festgestellt worden sind.
b) Allerdings sind vorliegend auch die Tatbestandsmerkmale des § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Das Gericht schließt sich nach eigener Prüfung der Rechtsprechung der 1., 4. und 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin an (VG Berlin, Urteil vom 11. September 2017 - VG 4 K 2.17 V; Urteil vom 28. Februar 2018 - VG 1 K 102.17 V und Urteil vom 22. März 2018 - VG 6 K 332.17 V}, wonach der Beklagten bei der Feststellung, ob ein Antragssteller ein Studienvisum missbräuchlich beantragt, weil er in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt, ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, der durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist.
Dass der Beklagten im Rahmen der Missbrauchskontrolle ein Beurteilungsspielraum zukommt, war für die bis zum 31. Juli 2017 geltende Fassung des§ 16 Abs. 1 AufenthG, welcher der Umsetzung der Vorgängerrichtlinie zu der RL 2016/801, der Richtlinie 2004/114/EG, galt, in der nationalen und europäischen Rechtsprechung anerkannt. Eine Überprüfung des Gerichts beschränkte sich - in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Erteilung eines Sehengen-Visums - darauf, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffes ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. April 2017 - OVG 3 B 20.16 -, juris, Rn. 24 m.w.N.; EuGH, Urteil vom 4. April 2017 - C-544/15 -, juris, Rn. 41 ff. und vom 10. September 2014 - C-492/13 -, juris, Rn. 33).
Dieser der zuständigen Behörde zustehende Beurteilungsspielraum war anerkannt, obwohl eine Missbrauchskontrolle in den einschlägigen Artikeln 6 und 7 der Richtlinie 2004/114/EG gar nicht ausdrücklich geregelt war. Dort fand sich nur die Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit als Ablehnungsgrund (Art. 6 Abs. 1 d) der Richtlinie 2004/114/EG). Die Annahme eines Beurteilungsspielraums wurde von der Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2014, a.a.O.) maßgeblich auf den 15. Erwägungsgrund der damaligen Richtlinie gestützt, der lautete:
"Bestehen Zweifel an den Antragsgründen, so könnten die Mitgliedstaaten alle Nachweise verlangen, die für die Prüfung der Schlüssigkeit des Antrags - insbesondere anhand der Studienpläne des Antragstellers - erforderlich sind, um dem Missbrauch und der falschen Anwendung des in dieser Richtlinie festgelegten Verfahrens vorzubeugen."
In der Richtlinie RL 2016/801 wurde in Art. 20 Abs. 2 f) nunmehr ausdrücklich die Regelung aufgenommen, wonach die Mitgliedsstaaten einen Antrag ablehnen können, wenn sie Beweise oder ernsthafte sachliche Anhaltspunkte dafür haben, dass der Aufenthalt zu anderen Zwecken genutzt werden soll. Damit wurde die bereits bestehende Rechtsprechung zur Missbrauchsverhinderung kodifiziert. Anhaltspunkte dafür, dass hiermit der Entscheidungsspielraum der Mitgliedsstaaten eingeengt werden sollte, bestehen nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass den Mitgliedsstaaten nach den Grundsätzen des europäischen Rechts bei der Tatsachenbewertung für die Annahme von Anhaltspunkten für einen Missbrauch und der damit verbundenen Prognose nach wie vor ein Beurteilungsspielraum zukommt. [...]
Nach § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG ist das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Aufenthaltserlaubnis ausreichend. Für die Bewertung, ob ein Ausländer statt des angegebenen Zweck tatsächlich andere Zwecke verfolgt, ist die Prognose maßgeblich, ob der Ausländer den von ihm angegebenen Zweck tatsächlich erfüllen können wird. Zu einer Ablehnung kann etwa führen, dass zu erwarten ist, dass der Ausländer auf Grund seiner bisherigen Leistungen den angestrebten Aufenthaltszweck - Studium mit Studienabschluss - nicht erfüllen wird (BeckOK AuslR/Kluth, 17. Ed. 1.11.2017, AufenthG § 20c Rn. 4). [...]