Keine unzulässige Klageänderung, wenn im laufenden Klageverfahren die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr ab Rechtskraft des Urteils, sondern ab einem davor liegenden Zeitpunkt begehrt wird.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
a. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die - nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse an die Klägerin ..., (13 PA 50/18) am 8. Juni 2017 und an die übrigen Kläger (13 PA 51 bis 53/18) am 9. Mai 2017 und insoweit teilweiser Erledigungserklärung der Hauptsacheverfahren - in den Schriftsätzen vom 19. Juli 2017 vorgenommene Änderung der bisher gestellten Anträge, den Beklagten zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zu verpflichten, dahin, den Beklagten zur rückwirkenden Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an die Klägerin ... (13 PA 50/18) für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 7. Juni 2017 und an die übrigen Kläger (13 PA 51 bis 53/18) vom 1. Juli 2016 bis zum 8. Mai 2017 zu verpflichten, auch keine unzulässige Klageänderung. Dabei kann der Senat hier dahinstehen lassen, ob nicht bereits der ursprünglich gestellte Klageantrag darauf gerichtet gewesen ist, den Beklagten zur Aufenthaltserlaubniserteilung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bei ihm zu verpflichten (vgl. dies ablehnend: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.12.2013 - 11 S 1770/13 -, juris Rn. 74). Denn selbst verneinendenfalls stellt sich die Änderung des Klageantrags dahin, den Beklagten nicht nur zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab Rechtskraft des Urteils, sondern ab einem davor liegenden Zeitpunkt zu verpflichten, als bloße Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache in zeitlicher Hinsicht und damit gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO nicht als (oder besser: nicht als unzulässige, vgl. Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 6. Aufl., § 91 Rn. 5) Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO dar. Im Übrigen wäre selbst eine gegebene Klageänderung im Sinne dieser Bestimmung als sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zuzulassen (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerwG, Urt. v. 8.1.2.2016 - BVerwG 4 CN 4.16 -, juris Rn. 10 m.w.N.), da der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und eine endgültige Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten um die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen in den bereits laufenden gerichtlichen Verfahren ermöglicht wird.
b. Für die Erhebung der Klagen fehlte es auch nicht ausnahmsweise an einem Rechtsschutzbedürfnis.
Dies gilt zum einen mit Blick auf die vom Beklagten der Klägerin ... (13 PA 50/18) unter dem 29. Mai 2017 (vgl. Blatt 16 der Gerichtsakte 13 PA 50/18) und den übrigen Klägern (13 PA 51 bis 53/18) unter dem 24. April 2017 (Blatt 403 f. der Beiakte 2/I in 13 PA 52/18) gegebenen Zusicherungen, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Denn diese Zusicherungen sind dem Prozessbevollmächtigten der Kläger erst nach Klageerhebung bekannt gegeben worden.
Dies gilt zum anderen aber auch mit Blick auf die begehrte Verpflichtung zur rückwirkenden Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Denn ein Ausländer kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen, wenn er hieran ein schutzwürdiges Interesse hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers erheblich sein kann, und gilt unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel für einen späteren Zeitpunkt bereits erteilt worden ist oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - BVerwG 1 C 19.09 -; Buchholz 402.242 § 104a AufenthG Nr. 6; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 19.3.2012 - 8 LB 5/11 -, juris Rn. 25 und 28 jeweils m.w.N.). Selbst wenn man hier davon ausgeht, dass die begehrte rückwirkende Erteilung nicht notwendig für eine bereits konkret anstehende weitere aufenthaltsrechtliche Entscheidung von Bedeutung sein muss (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 22.5.2012 - 2 BvR 820/11 -, NVwZ 2012, 1390, 1391), kann ein schutzwürdiges Interesse an der rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG schon darin gesehen werden, dass diese Aufenthaltserlaubnis Voraufenthaltszeiten im Sinne des § 26 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bzw. des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG vermittelt und damit für die Erlangung einer Niederlassungserlaubnis oder für die Einbürgerung erheblich sein kann (vgl. Senatsurt. v. 8.2.2018 - 13 LB 43/17 -, juris Rn. 38 m.w.N.). In den vorliegenden Verfahren ergibt sich - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nichts Anderes daraus, dass die Kläger während laufender Asyl(folge)verfahren über Aufenthaltsgestattungen verfügt haben sollen und bereits diese nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG anrechenbare Voraufenthaltszeiten für die Erteilung von Niederlassungserlaubnissen vermitteln könnten (vgl. zu den Voraussetzungen einer solchen Anrechnung: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.11.2010 - 8 PA 251/10 -, juris Rn. 12). Denn die Zeiten, in denen die Kläger über solche Aufenthaltsgestattungen verfügt haben sollen, betreffen schon die Zeiträume, für die die Kläger die rückwirkende Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen beanspruchen können, nicht (siehe im Einzelnen unten 2.). [...]