OLG Düsseldorf

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Zitieren als:
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.01.2018 - I-3 Wx 239/17 - asyl.net: M26458
https://www.asyl.net/rsdb/M26458
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit einer Wohnungsdurchsuchung:

1. Die Durchsuchung einer Wohnung einer ausreisepflichtigen Person ist nur dann rechtmäßig, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die von der Durchsuchung betroffene Person im Besitz von Personaldokumenten oder sonstigen Papieren ist, die eine Passersatzbeschaffung ermöglichen können, und dass sich diese Dokumente in ihrer Wohnung befinden.

2. Die Durchsuchung einer Wohnung, um dort gegebenenfalls aufbewahrte Ausweispapiere oder sonstige zur Identifizierung geeignete Dokumente zu finden, ist rechtswidrig; allein die schlichte Möglichkeit, dass Dokumente gefunden werden könnten, genügt für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung nicht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Wohnungsdurchsuchung, Passbeschaffung, Durchsuchung, illegaler Aufenthalt, Dokumente, Ausreisepflichtigkeit, Ablehnung,
Normen: PolG NW § 42 Abs. 1 S. 3, PolG NW § 41 Nr. 2, PolG NW § 42, PolG NW § 43 Nr. 1, GG Art. 13 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Das zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 und 2 hat auch in der Sache Erfolg, denn die Beteiligten zu 1 und 2 sind durch den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in ihren Rechten verletzt worden und sie haben ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung durch das Beschwerdegericht.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung nach §§ 41 Nr. 2, 42, 43 Nr. 1 PolG NW lagen bereits auf der Basis des Sachverhaltes, der dem Amtsgericht durch die Antragsschrift des Beteiligten zu 3 vom 18. August 2017 unterbreitet wurde, nicht vor.

Gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW ist Voraussetzung für die Durchsuchung einer Wohnung das Vorliegen von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass sich in der Wohnung eine Sache befindet, die nach § 43 Nr. 1 PolG NW sichergestellt werden darf. Sichergestellt werden dürften Sachen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden, § 43 Nr. 1 PolG NW.

Zwar mag auf der Grundlage des Sachverhaltes, der für das Amtsgericht aus der Antragsschrift vom 18. August 2017 erkennbar war – der Beteiligte zu 3 hatte es unterlassen, dem Amtsgericht auch das Schreiben der Bevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 vom 09. August 2017 vorzulegen, um dem Amtsgericht eine vollständige Würdigung zu ermöglichen – noch von dem Bestehen einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des § 43 Nr. 1 PolG NW auszugehen gewesen sein: so sind die Beteiligten zu 1 und 2 ausreisepflichtig und – allein gemäß der Schilderungen des Beteiligten zu 3 in seiner Antragsschrift – nicht zur Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren bereit gewesen.

Nicht geprüft hat das Amtsgericht jedoch die weitere Frage, ob auch die für den Erlass einer Durchsuchungs -anordnung sich aus § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW ergebenden Voraussetzungen erfüllt waren. Dass aber Tatsachen im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW gegeben waren, die die Annahme zuließen, dass in der Wohnung der Beteiligten zu 1 und 2 Dokumente vorhanden sein könnten, die dem Beteiligten zu 3 eine Beschaffung von Passersatzpapieren ermöglichen würden, ergibt sich aus den Angaben des Beteiligten zu 3 in seinem Antrag vom 18. August 2017 nicht. Weitere Ermittlungen zu diesem Punkt hat das Amtsgericht auch nicht angestellt. Die Durchsuchung einer Wohnung eines Ausreisepflichtigen ist jedoch nur dann rechtmäßig, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der von der Durchsuchung Betroffene im Besitz von Personaldokumenten oder sonstigen Papieren ist, die eine Passersatzbeschaffung ermöglichen können, ist und dass sich diese Dokumente in seiner Wohnung befinden. Die Durchsuchung einer Wohnung, um dort gegebenenfalls aufbewahrte Ausweispapiere oder sonstige zur Identifizierung geeignete Dokumente zu finden, ist rechtswidrig; allein die schlichte Möglichkeit, dass Dokumente gefunden werden könnten, genügt für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. Juli 2006, FGPrax 2007, 42; OLG Köln, Beschluss vom 31. August 2001, 16 Wx 194/01, zitiert nach juris).

Soweit der Beteiligte zu 3 im Beschwerdeverfahren mitgeteilt hat, im Zuge der stattgefundenen Durchsuchung sei der Mutterpass der Beteiligten zu 2 gefunden worden, weshalb eine Geburtsurkunde für das Kind hätte angefordert werden können und nunmehr aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet werden könnten, ist dies für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung unerheblich. Maßgeblich für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses und dementsprechend für die Prüfung seiner Rechtmäßigkeit ist allein der Sachverhalt, der zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Durchsuchungsantrag erkennbar ist (vgl. OLG Frankfurt, aaO.).

Durch die sich demnach als rechtswidrig erweisende Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts sind die Beteiligten zu 1 und 2 in ihren Rechten verletzt worden, nämlich in ihrem grundgesetzlich geschützten Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 Abs. 1 GG. Dass die Verletzung dieses Rechts ein schwer-wiegender Grundrechtseingriff ist und ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung einer Rechtsverletzung durch eine erledigte Entscheidung begründet, § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, ist unzweifelhaft (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 18. Januar 2017, I-3 Wx 237/16; Beschluss vom 23. Dezember 2014, FamRZ 2015, 1047, jeweils mit weiteren Nachweisen; Keidel/Budde, aaO., § 62 R. 14). [...]