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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 12.07.2018 - V ZB 48/18 - asyl.net: M26495
https://www.asyl.net/rsdb/M26495
Leitsatz:

Rechtsbeschwerde einer Behörde gegen die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung unzulässig:

1. Allein die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung durch das Beschwerdegericht führt nicht dazu, dass eine Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde zugelassen wurde und damit gem. § 70 Abs. 1 und 2 FamFG statthaft ist.

2. Die Rechtsbeschwerde einer beteiligten Behörde gegen Feststellungsentscheidungen nach Erledigung der Hauptsache ist nicht gem. § 70 Abs. 3 FamFG kraft Gesetzes  statthaft.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Rechtsbeschwerde, Unzulässigkeit, Zulässigkeit, Behörde, Statthaftigkeit, Feststellung, Beschwerde,
Normen: FamFG § 70 Abs. 1, FamFG § 70 Abs. 2, FamFG § 70 Abs. 3, FamFG § 62
Auszüge:

[...]

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist unzulässig. Sie ist nur statthaft, wenn sie entweder gemäß § 70 Abs. 1 und 2 FamFG von dem Beschwerdegericht zugelassen worden ist oder nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG keiner Zulassung bedarf. Weder der eine noch der andere Fall liegt hier vor.

1. Das Beschwerdegericht hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde weder in der Formel noch in den Gründen seines Beschlusses ausgesprochen. Die Zulassung ergibt sich entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde auch nicht aus dem Umstand, dass der Beschluss mit einer Rechtsmittelbelehrung endet.

a) Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist eine gebundene Willensbetätigung des Beschwerdegerichts, der eine Prüfung der Zulassungsgründe vorauszugehen hat. Sie sollte zwar im Interesse der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfGE 87, 48, 65) in die Formel des Beschlusses aufgenommen werden. Es genügt aber, wenn sich die Zulassung mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung ergibt, etwa, indem sich das Beschwerdegericht in den Gründen seiner Entscheidung zu den Zulassungsgründen des § 70 Abs. 2 FamFG verhält und einen oder mehrere annimmt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung vermag diesen Anforderungen indessen grundsätzlich selbst dann nicht zu genügen, wenn ihr - wie hier - die Unterschriften der entscheidenden Richter nachfolgen. In diesem Fall wird sie zwar formal ein Bestandteil der Entscheidung. Als Belehrung über das nach (fehlerhafter) Ansicht des Beschwerdegerichts gegebene Rechtsmittel stellt sie jedoch regelmäßig nur eine Wissenserklärung dar und bringt als solche keinen Zulassungswillen zum Ausdruck. Nur ausnahmsweise kann deshalb allein aus der Rechtsbehelfsbelehrung auf eine Zulassung des darin genannten Rechtsmittels geschlossen werden (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 13. März 2014 - IX ZB 48/13, NJW-RR 2014, 639 Rn. 7 zu § 574 ZPO).

b) So liegt es hier aber nicht. Das Beschwerdegericht hat sich in seiner Entscheidung nicht mit dem Vorliegen eines der in § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG bestimmten Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde, also damit befasst, ob und aus welchen Gründen der vorliegende Fall grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG). Es hat weder in der Beschlussformel noch in den Beschlussgründen zum Ausdruck gebracht, dass es die Rechtsbeschwerde aus einem dieser Gründe zulassen will. Nach dem Eingangssatz der Rechtsmittelbelehrung ist es im Gegenteil - vermutlich infolge eines Versehens, jedenfalls unzutreffenderweise - davon ausgegangen, dass die angesichts der Entscheidung zugunsten des Betroffenen nur in Betracht kommende Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde kraft Gesetzes und ohne die Notwendigkeit einer Entscheidung über ihre Zulassung statthaft ist. Das ist keine Zulassung der Rechtsbeschwerde.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht kraft Gesetzes statthaft.

a) Kraft Gesetzes und ohne die Notwendigkeit einer vorherigen Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft ist die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur, wenn sie sich gegen einen Beschluss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme abgelehnt oder zurückgewiesen worden ist. Dazu gehören Entscheidungen nicht, in denen das Beschwerdegericht nach Erledigung der Hauptsache schon im Beschwerdeverfahren gemäß § 62 FamFG auf Antrag des Betroffenen feststellt, dass die gegen ihn angeordnete Haft rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzt hat (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 64/17, Asylmagazin 2018, 101 [Ls.] = juris Rn. 4). Der Gesetzgeber hat die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde nur für den Fall für kraft Gesetzes statthaft erklärt, dass sich diese gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss wendet (BT-Drucks. 18/5420 S. 30). Damit sind nur die Fallgestaltungen angesprochen, in denen die beteiligte Behörde die von ihr beantragte Anordnung von Sicherungshaft entweder von vornherein infolge einer Ablehnung schon durch das Amtsgericht oder im Ergebnis nicht erreicht, weil das Beschwerdegericht eine Haftanordnung des Amtsgerichts wieder aufhebt. Dieses Ziel kann die beteiligte Behörde aber nicht mehr erreichen, wenn infolge der Erledigung der Hauptsache schon im Beschwerdeverfahren entweder durch Vollzug der Abschiebung der Sicherungszweck fortgefallen oder aber nach Auslaufen einer angeordneten Haft ein neuer Haftantrag erforderlich ist.

b) So liegt es hier. Die beteiligte Behörde hat die Abschiebung des Betroffenen aufgrund der Haftanordnung des Amtsgerichts vollstrecken können, noch bevor das Beschwerdegericht über den Fortbestand der Haftanordnung entschieden hat. Damit ist Erledigung der Hauptsache eingetreten. Eine Überprüfung der daraufhin ergangenen Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gemäß § 62 FamFG durch das Rechtsbeschwerdegericht kommt nur aufgrund einer Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG in Betracht, an der es hier ebenso wie an einem der in § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG bestimmten Zulassungsgründe, fehlt. [...]