VG Stade

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Zitieren als:
VG Stade, Beschluss vom 30.07.2018 - 2 B 1616/18 - asyl.net: M26508
https://www.asyl.net/rsdb/M26508
Leitsatz:

Keine Abänderung des Eilrechtsbeschlusses aufgrund des EuGH-Urteils "Gnandi":

1. Eine Entscheidung des EuGH kann grundsätzlich eine Änderung der Sach- und Rechtslage darstellen, die die Abänderung eines Eilrechtsbeschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO erfordert.

2. Das Urteil des EuGH vom 19.06.2018 (C-181/16 Gnandi gg. Belgien - asyl.net: M26457, Asylmagazin 9/2018 mit Anmerkung) ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, denn der Entscheidung liegt die Auslegung der alten Verfahrensrichtlinie 2005/85/EG zugrunde, während der vorliegende Fall nach der neuen Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU zu beurteilen ist. Anders als die alte Richtlinie erlaubt es Art. 46 Abs. 6 RL 2013/32/EU ausdrücklich auch während des laufenden Verfahrens über den Verbleib der Betroffenen Person im Fall einer Ablehnung als offensichtlich unbegründet zu entscheiden. (Unter Bezug auf VG Hannover, Beschluss vom 12.7.2018 - 10 B 4228/18.)

3. Daher ist der vom EuGH aufgestellte Grundsatz, wonach der Rechtsbehelf gegen eine Rückkehrentscheidung aufschiebende Wirkung haben muss, nicht auf die Ablehnung als offensichtlich unbegründet übertragbar.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, Änderung der Rechtslage, Änderung der Rechtsprechung, EuGH, Gnandi, Asylverfahren, Rückkehrentscheidung, Non-Refoulement, Refoulement, Abschiebungsandrohung, Rückführungsrichtlinie, Asylverfahrensrichtlinie, illegaler Aufenthalt, Abschiebung, Vorabentscheidungsverfahren, effektiver Rechtsschutz, Suspensiveffekt,
Normen: RL 2013/32/EU Art. 52 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend keine Veränderungen der für die Entscheidung maßgebenden Sach- oder Rechtslage ersichtlich, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Die von der Antragstellerin angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - kann zwar grundsätzlich eine Änderung der Sach- und Rechtslage darstellen (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 80 Rn. 197). Auf die Fallkonstellation der Antragstellerin ist die Entscheidung jedoch nicht anwendbar. Denn der Entscheidung liegt die Auslegung der Richtlinie 2008/115/EG über die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in Verbindung mit der Richtlinie 2005/85/EG über die Flüchtlingseigenschaft zugrunde. Dagegen ist der Fall der Antragstellerin, die ihren Antrag nach dem 20. Juli 2015 gestellt hat, nach den Vorschriften der Richtlinie 2013/32/EU zu beurteilen (vgl. dort Art. 52 Abs. 1 Satz 1), zu der sich der Europäische Gerichtshof in der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung nicht geäußert hat.

Eine Übertragung der in der Entscheidung vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - aufgestellten Grundsätze auf die Rechtslage nach der Richtlinie 2013/32/EU und den - hier vorliegenden - Fall eines als offensichtlich unbegründet abgelehnten Schutzgesuches kommt nicht in Betracht. Dazu hat das Verwaltungsgericht Hannover in seinem Beschluss vom 12. Juli 2018 - 10 B 4228/18 - Folgendes ausgeführt:

"(…) die tragenden Gründe der Entscheidung sind auch erkennbar nicht auf die Rechtslage nach der Richtlinie 2013/32 und den Sachverhalt des Antragstellers übertragbar. Denn die in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs maßgeblichen Vorschriften des Art. 39 Abs. 3 der Richtlinie 2005/85 sind durch Art. 9 und 46 der Richtlinie 2013/32/EU ersetzt worden. Diese Vorschriften tragen für den Fall des Antragstellers eine Auslegung der Rückführungsrichtlinie dahingehend, dass dem Antragsteller der Verbleib in der Bundesrepublik bis zur abschließenden Entscheidung über seinen Rechtsbehelf zu gestatten ist, nicht. Anders als die Richtlinie 2005/85 erlaubt Art. 46 Abs. 6 der Richtlinie 2013/32 im Falle einer Ablehnung des Schutzgesuchs als offensichtlich unbegründet ausdrücklich, über den weiteren Verbleib des Antragstellers im Mitgliedstaat auch während des laufenden Verfahrens zu entscheiden, wenn das Recht auf Verbleib bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Das Schutzgesuch des Antragstellers wurde im Sinne der Art. 32 Abs. 2, Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, das nationale Recht sieht in § 36 AsylG die Aufenthaltsbeendigung binnen einer Woche vor."

Diesen Ausführungen schließt sich die Einzelrichterin an. [...]