Subsidiärer Schutz für einen Afghanen, der von den Taliban zwecks Lösegelderpressung entführt wurde:
1. Für wohlhabende Personen besteht in Afghanistan eine hohe Gefahr, Opfer von Entführungen zwecks Lösegelderpressungen zu werden.
2. Wurde ein Entführer durch die von dem Kläger eingeschaltete Polizei getötet, so sind Racheaktionen für die Zukunft nicht auszuschließen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG. [...]
Der Kläger hat nicht schlüssig vorgetragen, dass die Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung i.S.d. § 3d AsylG zu bieten. Soweit es die Entführung des Klägers anbelangt, verfolgte die afghanische Polizei die Entführer unmittelbar nach der Entführung, was zeigt, dass sie jedenfalls willens war, Schutz vor Verfolgung zu bieten, indem sie ihrerseits die Entführer verfolgte. [...]
2. Der Kläger hat aber einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatuses, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG vorliegen. [...]
Dass dem Kläger die Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 AsylG), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. [...]
Der Kläger hat - wie auch sein Bruder in dem beim Bundesamt zum Geschäftszeichen - ... - geführten Verfahren - sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung am 26. März 2018 sehr ausführlich, detailliert und im Wesentlichen widerspruchsfrei geschildert, wie die Taliban seine Familie bereits in K. erpressten, sie nach ihrem Ausweichen nach H. dort aufspürten, sie mit massiveren Drohungen schriftlich weiter erpressten und die Drohungen durch die Entführung des Klägers binnen kürzester Zeit umsetzten sowie nach der Befreiung des Klägers und der Tötung eines der drei Entführer durch die afghanische Polizei bei einem Festnahmeversuch - wiederum im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang - einen Granaten- oder Bombenangriff auf das Haus seiner Familie ausführten. Damit ist aber anzunehmen, dass der Kläger zusammen mit seinen beiden Brüdern und seiner Mutter in das Blickfeld der Taliban geraten sind. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln besteht für wohlhabende Personen eine hohe Gefahr, Opfer von Entführungen zwecks Lösegelderpressung zu werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan, Die aktuelle Sicherheitslage, Update vom 14. Dezember 2017, S. 27 m.w.N.). Damit ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch die Taliban unterworfen wird. Dies gilt umso mehr, als einer der Entführer durch die - von der Familie des Klägers eingeschaltete - Polizei getötet wurde, so dass Racheaktionen, die in der Vergangenheit bereits zeitnah stattgefunden hatten, auch in Zukunft nicht auszuschließen sind. Schließlich kann im vorliegenden Fall auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger in Afghanistan eine inländische Fluchtalternative i.S.v. § 3e i.V.m. § 4 Abs.3 Satz 1 AsylG zur Verfügung steht. Seine Familie wurde auch ausfindig gemacht, nachdem sie von K. nach H. ausgewichen waren, wo auch die Entführung stattfand. [...]