LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.08.2018 - 2-29 T 220/18 - asyl.net: M26511
https://www.asyl.net/rsdb/M26511
Leitsatz:

Bei Unmöglichkeit der Anhörung vor Haftverlängerung ist zumindest der Verfarensbevollmächtigte anzuhören:

Ist bei einer Haftverlängerung keine vorherige Anhörung der betroffenen Person möglich, da diese sich wegen eines Suizidversuchs in einer Klinik befindet, so ist zumindest der oder die Verfahrensbevollmächtigte vor der Haftanordnung anzuhören; besteht keine anwaltliche Vertretung, ist eine Verfahrenspflegerin oder ein Verfahrenspfleger zu bestellen.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Haftbeschluss, Abschiebungshaft, Suizidgefahr, Anhörung, rechtliches Gehör, Prozessbevollmächtigte, Haftverlängerung,
Normen: FamFG § 427 Abs. 2, AufenthG § 62,
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 62, 63 Abs. 1 und 3 FamFG zulässig und begründet. Der Beschluss vom 9.6.2018 hätte nicht ergehen dürfen, ohne zuvor dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen rechtliches Gehör zum Antrag vom 9.6.2018 zu geben und ihm mitzuteilen, dass gem. § 427 Abs. 2 FamFG verfahren werden soll. Gefahr im Verzug im Sinne von § 427 Abs. 2 FamFG lag nicht vor. Ohne das Vorhandensein eines Verfahrensbevollmächtigten hätte vorliegend bei einer Vorgehensweise nach § 427 Abs. 2 FamFG gemäß § 419 Abs. 1 S. 2 ein Verfahrenspfleger bestellt werden müssen, da von der Anhörung des Betroffenen abgesehen werden sollte. Gerade für diesen Fall ist es besonders wichtig, dass der Betroffene, der zu einer Äußerung nicht fähig ist, rechtlichen Beistand genießt. Die Steigerung der Formulierungen in § 427 Abs. 2 FamFG (Gefahr im Verzug) im Verhältnis zu Abs. 1 (dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden) ist so zu verstehen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung so dringend erforderlich ist, dass nicht einmal die Durchführung einer persönlichen Anhörung des Betroffenen und die Anhörung eines etwa zu bestellenden Verfahrenspflegers abgewartet werden kann (vgl. Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 427 Rn. 10). Hieraus ergibt sich, dass selbst für den Fall, dass der Betroffene wegen Krankheit am 9.6.2018 nicht angehört werden konnte, vor Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 427 Abs. 2 FamFG einem zu bestellenden Verfahrenspfleger rechtliches Gehör hätte gegeben werden müssen. Gründe dafür, dass dies vor Erlass des Beschlusses nicht möglich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Gleiches muss für den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen gelten, dessen Bevollmächtigung letztendlich dazu geführt hat, dass ein Verfahrenspfleger nicht bestellt werden musste. Auch ihm hätte der Antrag vom 9.6.2018 zugänglich gemacht und ihm mitgeteilt werden müssen, dass gemäß § 427 Abs. 2 FamFG verfahren werden soll, und ihm rechtliches Gehör gegeben werden müssen. Da dies auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, denn der Antrag vom 9.6.2018 ging bei Gericht um 9:40 Uhr ein, lag Gefahr im Verzug im Sinne des § 427 Abs. 2 FamFG nicht vor. Der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 9.6.2018 war deshalb rechtswidrig und hat dem Betroffenen in seinen Rechten verletzt. [...]