Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG für 3-jähriges Kind aus Albanien mit seltener Krankheit:
1. Das Joubert-Boltshauser-Syndrom stellt eine schwerwiegende Erkrankung dar, deren erforderliche Behandlung in Albanien nicht gewährleistet ist.
2. Zwar besteht in Albanien grundsätzlich Zugang zur staatlichen Krankenversicherung und damit ein Anspruch auf kostenlose Behandlung, allerdings werden im albanischen Gesundheitssystem überall inoffizielle Zuzahlungen erwartet.
(Leitsätze der Redaktion)
[…]
Dem Kläger ist ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG zuzuerkennen. Die Beklagte ist deshalb unter entsprechend tenorierter Aufhebung des Bescheids zur Anerkennung verpflichtet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). […]
Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen für ein solches krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben. Er leidet zur Überzeugung des Gerichts mit dem Joubert-Boltshauser-Syndrom an einer schwerwiegenden Erkrankung, die auch zuletzt von der Beklagten nicht mehr anfrage gestellt worden ist. Für das Gericht steht auch zweifelsfrei fest, dass diese Erkrankung weiterhin behandlungsbedürftig ist und der: Kläger auch in näherer Zukunft dringend auf qualifizierte ärztliche Hilfe und gegebenenfalls stationäre Behandlung angewiesen ist. Das Joubert-Syndrom ist seit seiner Erstbeschreibung im Jahr 1969 erst in über 110 aufgetretenen Fällen dokumentiert worden. Dementsprechend besteht in Bezug auf die Entwicklungsprognose noch keine Einigkeit in der medizinischen Fachwelt. Es wurde jedoch festgestellt, dass viele Kinder das Kindesalter nicht überleben, andere Kinder hingegen eine gute Entwicklungsprognose haben (Quelle: www.wikipedia.org/wiki/Joubert-Syndrom). Die bei der Krankheit häufig auftretenden Symptome (anfallsweise auftretende Mehratmung, beschleunigte Atemfrequenz, Atemaussetzer bzw. Atemstillstand, Bewegungsstörungen, rhythmische Vorverlagerung der Zunge, unwillkürliches rhythmisches Muskelzittern, kognitive Behinderung, Fehlbildungen von Netzhaut, Aderhaut und Sehnerv, familienspezifisch Mangel- oder Fehlversorgung bzw. erblich bedingte Störungen und Veränderungen der Netzhaut im Auge und der Gewebesäcke in den Nieren, in denen sich Flüssigkeit oder Luft sammelt) können mittlerweile (therapeutisch) behandelt werden (Beatmung, kontinuierliche Monitorüberwachung, Intensivbetreuung, O2-Substitution bei Apnoe/zyanotischen Zuständen, Krankengymnastik, Frühförderung, Überwachung von Kopfumfang/ Leber-/Nierenwerten, Sehhilfenverordnung. Das Syndrom ist jedoch nicht ursächlich heilbar (Quelle: www.wikipedia.org/wiki/Joubert-Syndrom).
Im Einzelfall des Klägers hat das Gericht keinen Zweifel, dass er die erforderliche Behandlung in Albanien nicht erlangen kann, ohne dass sich sein Gesundheitszustand wesentlich verschlechtern würde. […]
Zwar dürfte der Kläger in Albanien grundsätzlich Zugang zur staatlichen Krankenversicherung und deshalb an sich von Gesetzes wegen Anspruch auf eine kostenlose Behandlung haben. Gleichwohl ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger die erforderliche Behandlung tatsächlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit erlangen kann, weil er nicht über die hierfür benötigten finanziellen Mittel verfügt. Die Beklagte weist im streitgegenständlichen Bescheid selbst darauf hin, dass im albanischen Gesundheitssystem überall inoffizielle Zuzahlungen erwartet werden. […]