VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.08.2018 - A 11 S 1911/18 - asyl.net: M26543
https://www.asyl.net/rsdb/M26543
Leitsatz:

Im Asylprozess lässt sich die grundsätzliche Bedeutung einer Frage nicht unter Annahme eines Sachverhalts begründen, der von dem durch das Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt abweicht, solange diese Feststellungen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 VwGO) erschüttert worden sind.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Asylverfahren, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Verfahrensfehler, Tatsachenfeststellung, Sachverhaltsermittlung,
Normen: AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, VwGO § 138,
Auszüge:

[...]

Klärungsbedürftig sind daher nur Rechts- oder Tatsachenfragen, die die Vorinstanz entschieden hat, nicht jedoch solche, die sich erst stellen würden, wenn sie anders entschieden hätte (BVerwG, Beschluss vom 26.02.2008 - 4 BN 51.07 -, NVwZ 2009, 696 Rn. 9). Davon abweichend kommt eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung auch in Betracht, wenn offensichtlich ist, dass die aufgeworfene Frage sich jedenfalls in einem Berufungsverfahren stellen würde (vgl. Roth, in: BeckOK VwGO, Stand 01.04.2018, § 124 VwGO Rn. 54; Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 37; a.A. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 152). Indes lässt sich eine grundsätzliche Bedeutung einer Frage im Asylprozess nicht unter Annahme eines Sachverhalts begründen, der von dem durch das Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt abweicht, solange diese Feststellungen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO) erschüttert worden sind. Ohne eine solche Verfahrensrüge, die sodann bereits für sich genommen den Zugang zum Berufungsverfahren eröffnen würde, bleibt es aber bei dem Grundsatz, dass für den Zulassungsantrag ausschließlich von den Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts auszugehen ist (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 78 Rn. 24). Denn ansonsten würde im Rahmen der Grundsatzrüge bezogen auf die Tatsachenfeststellungen eine Möglichkeit eröffnet, die inhaltliche Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung umfänglich in Frage zu stellen. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist im Asylverfahrensrecht aber nicht eröffnet (siehe § 78 Abs. 3 AsylG), so dass Angriffe gegen die Sachverhaltsfeststellungen nur über die - sehr begrenzt eröffnete - Verfahrensrüge möglich sind.

Wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Bereich der Tatsachenfeststellungen geltend gemacht, erfordert das Darlegungsgebot insbesondere, dass die Antragsbegründung erkennen lässt, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse gerade in einer über den Einzelfall hinaus-gehenden Weise unzutreffend beurteilt haben soll, dass also z. B. einschlägige Erkenntnisquellen und die hierin niedergelegten Tatsachen unberücksichtigt geblieben sind oder fehlerhaft gewürdigt wurden, dass das Gewicht bzw. die Tragweite einer abweichenden Meinung verkannt worden sei und dass die Bewertungen des Verwaltungsgerichts deshalb nicht haltbar seien. Im Falle einer geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung in tatsächlicher Hinsicht ist es regelmäßig erforderlich, dass sich die Begründung des Zulassungsantrags unter Durchdringung des Streitstoffs substantiiert in tatsächlicher Hinsicht mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt und diesen konkrete abweichende Erkenntnismittel und die hierin wiedergegebenen Tatsachen entgegenstellt, aus denen sich jedenfalls begründete Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts ablesen lassen und die es erforderlich machen, erneut in einem Berufungsverfahren umfassende und abschließende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.03.2000 - A 6 S 48/00 -, juris, und vom 28.05.1997 - A 16 S 1388/97 -, AuAS 1997, 261; OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2007 - 15 A 750/07.A -, juris; HessVGH, Beschlüsse vom 28.01.1993 - 13 UZ 2018/92 -, juris, und vom 13.09.2001 - 8 UZ 944/00.A -, InfAuslR 2002, 156; SächsOVG, Beschluss vom 02.01.2013 - A 4 A 25/11 -, juris; Berlit, in: GK-AsylG § 78 Rn. 609 ff.; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 124a Rn. 214). Liegt bereits eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts zu der aufgeworfenen Frage vor, so muss zusätzlich dargelegt werden, weshalb neue noch nicht berücksichtigte Umstände oder Gesichtspunkte eine erneute Befassung und Entscheidung erfordern (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 7. Aufl. (2018), § 124a Rn. 85). [...]