OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.08.2018 - 3 L 50/17 - asyl.net: M26564
https://www.asyl.net/rsdb/M26564
Leitsatz:

Kein Abschiebungsverbot für in Bulgarien international Schutzberechtigte:

"1. Die Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus sind zwar in Bulgarien unverändert sehr schwierig. Es herrschen allerdings nicht derart handgreiflich eklatante Missstände, die den Schluss zuließen, dass anerkannte Schutzberechtigte - die keinem vulnerablen Personenkreis angehören - einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien ausgesetzt werden.

2. Ein mittelloser Schutzberechtigter ohne private oder familiäre Netzwerke in dem Land, das seinen Schutz­status festgestellt hat, ist zwar bei seiner Rückkehr insoweit schutzbedürftig, als dass er für eine gewisse Übergangszeit die elementaren Bedürfnisse (Unterkunft, Versorgung) nur mit Hilfe von Dritten wird befriedigen können. Dass diese vorübergehende Hilfe bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht zu erlangen ist, ist mit Blick auf die von Nichtregierungsorganisationen geleisteten Hilfestellungen nach der derzeitigen Auskunftslage jedoch nicht erkennbar."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Bulgarien, Drittstaatenregelung, internationaler Schutz in EU-Staat, Anerkannte, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, besonders schutzbedürftig, Obdachlosigkeit, medizinische Versorgung, Existenzminimum, Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7, EMRK Art. 3, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, AsylG § 31
Auszüge:

[...]

8 In der Regel indiziert die Abweichung eines Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung eines anderen als des im Instanzenzug übergeordneten Oberverwaltungsgerichts die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 - 2 BvR 1058/92 -, juris Rn. 15; Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz [GK-AsylG], 110. Ergänzungslieferung, November 2016, § 78 Rn. 107). Allerdings ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht - auch nicht von Verfassungs wegen - geboten, jeden Fall der Abweichung eines Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung eines Oberverwaltungsgerichtes eines anderen Bundeslandes als Fall einer grundsätzlichen Bedeutung anzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 1994 - 2 BvR 211/94 -, juris). Dies gilt insbesondere für Tatsachenfragen. Wesentliche Eigenart von Tatsachenfeststellung und Sachverhaltswürdigung ist, dass sie in letzter Instanz vom Oberverwaltungsgericht (oder vom Verwaltungsgerichtshof) getroffen werden. Wegen der Bindung des Revisionsgerichtes an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes, § 137 Abs. 2 VwGO, scheidet eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 2016 - 2 BvR 31/14 -, juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht befugt, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher Bedeutung in "Länderleitentscheidungen" zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2017 - 1 B 22.17 -, juris Rn. 4; Beschluss vom 20. März 2018 - 1 B 10.18, 1 PKH 7.18 -, juris). Den Berufungsgerichten fällt in asylrechtlichen Streitigkeiten deshalb in erster Linie die Aufgabe zu, innerhalb ihres Gerichtsbezirkes auf eine einheitliche Beurteilung gleicher oder ähnlicher Sachverhalte hinzuwirken und zu einer einheitlichen Beurteilung des Vorhandenseins sowie des Erkenntniswertes bestimmter, die Herkunftsländer allgemein betreffender Erkenntnisquellen beizutragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24-28, Rn. 18). Aus diesem Grund weist eine abweichende Tatsachenfeststellung oder -würdigung durch ein anderes Berufungsgericht für sich allein nicht auf weiteren Klärungsbedarf hin (vgl. VGH BW, Beschluss vom 7. Mai 1987 - A 12 S 348/87 -, InfAuslR 1987, 259; GK-AsylG, a.a.O., § 78 Rn. 148).

9 Dies zugrunde gelegt ist es vorliegend rechtlich nicht von Relevanz, dass sowohl das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (a.a.O.) als auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (a.a.O.) wie das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (a.a.O.), auf dessen Rechtsprechung sich das Verwaltungsgericht gestützt hat, auf derselben Erkenntnismittelgrundlagen (Auskünfte des Auswärtigen Amtes [AA] vom 27. Januar 2016 und 30. November 2015, den Bericht von Frau Dr. Ilareva vom 27. August 2015, Auskunft von ProAsyl an VG Köln vom 17. Juni 2015 [entspricht Auszügen aus dem Bericht von ProAsyl vom April 2015]) entschieden haben und zu unterschiedlichen Ergebnissen bei ihrer Bewertung gelangt sind. Es mag sein, dass ein in Bulgarien anerkannter Schutzberechtigter im Bundesland Hessen einen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland und im Bundesland Saarland einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes habe, wohingegen ein in Bulgarien anerkannter Schutzberechtigter, der im Bundesland Sachsen-Anhalt lebe, nach Bulgarien zurückgeführt werden würde. Diese - zulässige - lediglich abweichende Tatsachenwürdigung der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe ist im Rechtsmittelrecht bei Asylsachen angelegt und rechtfertigt als solche die Zulassung der Berufung nicht.

10 Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, dass sich der Senat noch nicht mit den Entscheidungen der anderen Oberverwaltungsgerichte (a.a.O.) auseinandergesetzt, insbesondere sich nicht mit der Frage der individuellen Zusicherung und dem Ausstellen von Anlaufbescheinigungen durch die bulgarischen Behörden zur Vermeidung von Obdachlosigkeit befasst habe, weil die Urteile nach der Entscheidung des Senates vom 6. September 2016 (a.a.O.) ergangen seien, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Denn der Kläger weist selbst darauf hin, dass auf derselben Tatsachenbasis durch die Obergerichte entschieden worden sei, ohne substantiiert aufzuzeigen, dass der Senat bzw. das Verwaltungsgericht, das auf die Rechtsprechung des Senates Bezug nimmt, tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend oder unvollständig beurteilt habe. Der Senat ist unter Berücksichtigung dieser Tatsachenbasis zu dem Ergebnis gelangt, dass bei nicht vulnerablen Personen zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nicht bestehen, es mithin keiner individuellen Zusicherung bzw. "Anlaufbescheinigung" bulgarischer Behörden bedarf. Diese Tatsachenwürdigung stellt der Kläger durch sein Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage.

11 Die Grundsatzzulassung wegen Tatsachenfragen dient nicht der umfassenden Kontrolle der verwaltungsgerichtlichen Ermittlung und Bewertung des individuellen Sachverhaltes und der Lage in dem Staat, in den die Rückführung erfolgen soll. Um einen weitergehenden, berufungsgerichtlicher Klärung bedürftigen Zweifel zu wecken und dem Einwand der nicht rügefähigen Tatsachenwürdigung zu entgehen, müssen zusätzliche besondere Umstände vorliegen (und bezeichnet werden). Solche zusätzlichen Umstände können etwa darin liegen, dass die von dem Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismittel als erkennbar lückenhaft und unvollständig die hinreichend sichere Beantwortung der aufgeworfenen Tatsachenfrage nicht erlauben oder sie in einem Maße uneinheitlich, unübersichtlich oder in wesentlichen Punkten widersprüchlich sind, dass sich die von dem Verwaltungsgericht gewonnene Bewertung gewichtigen Zweifeln ausgesetzt sieht (vgl. GK-AsylG, a.a.O., § 78 Rn. 136). Klärungsbedarf kann auch dadurch aufgezeigt werden, dass dargelegt wird, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt hat, es also z.B. einschlägige Erkenntnismittel unberücksichtigt gelassen hat, das Gewicht der abweichenden Meinung verkannt hat oder die Bewertungen nicht haltbar sind. Die bloße Mitteilung seiner aus denselben Erkenntnisquellen gewonnenen gegenteiligen Einschätzung genügt hingegen nicht (vgl. Marx, AsylVfG, Kommentar, 8. Aufl., § 78 Rn. 37 m.w.N.). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Tatsachenfrage setzt dabei eine intensive, fallbezogene Auseinandersetzung mit den von dem Verwaltungsgericht herangezogenen und bewerteten Erkenntnismitteln voraus. Es ist Aufgabe des Antragstellers, durch die Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichtes, sondern seine gegenteiligen Bewertungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Dies kann durch eine eigenständige Bewertung der bereits vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismittel geschehen oder auch durch Berufung auf weitere, neue oder von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Erkenntnismittel. Dabei gilt allgemein, dass die Anforderungen an die Darlegung nicht überspannt werden dürfen, sondern sich nach der Begründungstiefe der angefochtenen Entscheidung zu richten haben (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 29. März 2017 - 3 L 249/16 -, juris [m. w. N.]).

12 Indem der Kläger lediglich aus den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes des Saarlandes (Urteil vom 25. Oktober 2016, a.a.O., Rn. 29) und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (a.a.O., Rn. 45) - in Auszügen - zitiert, wird er dem Darlegungserfordernis nicht gerecht. Denn die notwendige Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, die auf der Rechtsprechung des Senates (vgl. Beschluss vom 6. September 2016, a.a.O.) basiert, findet nicht statt, so dass der Kläger nicht erkennbar macht, dass die hiesige Bewertung gewichtigen Zweifeln ausgesetzt ist.

13 Auch ist unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage - auf die sich der Kläger vorliegend nicht beruft und die Gegenstand weiterer obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OVG Nds., Urteil vom 29. Januar 2018 - 10 LB 82/17 -; OVG Saarl., Urteil vom 19. April 2018 - 2 A 737/17 -; OVG SH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 LB 17/17 -, alle juris) - ist derzeit keine Verletzung von Art. 3 EMRK festzustellen.

14 Die Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus sind unverändert sehr schwierig. Zur Überzeugung des Senates herrschen allerdings nicht derart handgreiflich eklatante Missstände, die den Schluss zuließen, anerkannte Schutzberechtigte, die keinem vulnerablen Personenkreis im Sinne von Art. 20 Abs. 3 RL 2011/95/EU angehören, würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien ausgesetzt. Zwar ist ein mittelloser Schutzberechtigter ohne private oder familiäre Netzwerke in dem Land, das seinen Schutzstatus festgestellt hat, bei seiner Rückkehr insoweit schutzbedürftig, als dass er für eine gewisse Übergangszeit die elementaren Bedürfnisse (Unterkunft, Versorgung) nur mit Hilfe von Dritten wird befriedigen können. Dass diese vorübergehende Hilfe bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht zu erlangen ist, ist nach der derzeitigen Auskunftslage jedoch nicht erkennbar.

15 Der neue Bericht von Frau Dr. Ilareva (vgl. Expertise zu der aktuellen rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien an das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen vom 7. April 2017) enthält keine solchen Erkenntnisse, die eine von der bisherigen Senatsrechtsprechung abweichende Bewertung der Sachlage zum Ergebnis haben. Es wird geschildert, dass es an einem staatlichen Integrationsprogramm oder vergleichbaren staatlichen Maßnahmen weiterhin fehle und dass ein Ausweisdokument bzw. eine Meldebescheinigung erforderlich sei, um im Jobcenter registriert zu werden bzw. Sozialhilfe beziehen zu können (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 2 ff.). Für aus dem Ausland zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte werde keine staatliche Unterkunft bereitgehalten, so dass sich diese auf dem freien Markt eigenständig eine Wohnung suchen müssten, was sich trotz Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen schwierig gestalte (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 8 ff.). Obdachlosenunterkünfte und Sozialwohnungen stünden danach regelmäßig nur bulgarischen Staatsbürgern sowie Personen mit sehr langem Aufenthalt zur Verfügung (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 9). Anerkannten Schutzberechtigten mit einer Unterkunft (bzw. einer Meldeadresse) sei es jedoch unmittelbar möglich, sich als arbeitssuchend registrieren zu lassen und Sozialhilfe zu beziehen. Diese werde auch tatsächlich ausgezahlt (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 7). Ebenfalls ist der Zugang zum Gesundheitssystem sichergestellt (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 10 f.).

16 Zwar dürfte die im Juli 2017 von der bulgarischen Regierung verabschiedete Integrationsverordnung, die den Abschluss individueller Integrationsvereinbarungen zwischen den Schutzberechtigten und dem Bürgermeister einer Gemeinde vorsieht, keine wirkliche Verbesserung der Integrationsmöglichkeiten - insbesondere für zurückkehrende - Schutzberechtigte bedeuten. Denn nach der Verordnung bleibt es den Kommunen, die nach wie voreingenommen gegenüber Schutzberechtigten sein sollen, überlassen, Integrationsvereinbarungen abzuschließen. Abgesehen davon hat Bulgarien den Kläger bereits am 19. November 2014 als Flüchtling anerkannt, so dass auch in zeitlicher Hinsicht die Verordnung nicht mehr zur Anwendung gelangen dürfte (vgl. hierzu: Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 5; Amnesty International, Report Bulgaria 2017/2018; Bulgarian Helsinki Committee, Human Rights in Bulgaria in 2017).

17 Menschenrechtlich ist jedoch irrelevant, ob notwendige Hilfen vom Zielstaat (hier: Bulgarien), EU-Programmen, internationalen Organisationen oder privaten Gruppen bereitgestellt werden (vgl. Thym, Rücküberstellung von Schutzberechtigten, NVwZ 2018, 608, 613 a. E.), um die Situation äußerster materieller Armut, in die ein mittelloser Schutzberechtigter ohne private und familiäre Kontakte bei seiner Rückführung nach Bulgarien gelangen kann, abzuwenden. Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge sind nicht unbesehen gleichzusetzen. An die Stelle aktiver Unterstützung nach Maßgabe der sog. Aufnahme-Richtlinie tritt bei anerkannten Flüchtlingen die Inländergleichbehandlung nach der sog. Qualifikations-Richtlinie ebenso wie nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Thym, a.a.O., S. 612). Verletzungen des europäischen Sekundarrechtes begründen folglich für sich genommen kein menschenrechtliches Überstellungsverbot (vgl. Thym, a.a.O., S. 613).

18 Mehrere in Bulgarien wirkende Nichtregierungsorganisationen (Bulgarisches Rotes Kreuz, UNHCR in Kooperation mit dem Bulgarischen Roten Kreuz, Caritas Bulgarien, Bulgarien Helsinki Committee [vgl. AA, Auskunft vom 18. Juli 2017, dort Frage 3]) leisten wirksame Unterstützung, so dass von einer ausweglosen Lage zurückkehrender (mittel- und bindungsloser) Schutzberechtigter, die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung birgt, nicht ausgegangen werden kann.

19 So führt bspw. das Bulgarische Rote Kreuz im Auftrag des UNHCR Integrationsmaßnahmen (Sprachkurse, Anmeldung zur Berufsausbildung, Kostenübernahme der Ausbildung, Sozialberatung, Empfehlungen für den Zugang zu einer Arbeitsstelle, Unterkunft, Erleichterung medizinischer Versorgung, Bildung) durch und bietet auch Sachleistungen und einmalige finanzielle Hilfe in Notsituationen (drohende Obdachlosigkeit, Krankheit) an. Daneben leistet das Bulgarian Helsinki Committee rechtliche Hilfe und die Caritas unterhält in Sofia ein Zentrum für Soziale Rehabilitation und Integration, das diverse Unterstützungsleistungen, wie Sprachkurse, Hilfe bei der Suche von Arbeit und Unterkunft sowie Erlangung von sozialer oder medizinischer Hilfe anbietet. Dass diese Integrationshilfen nicht von zurückkehrenden Schutzberechtigten in Anspruch genommen werden können, ist nicht ersichtlich, zumal Rückkehrer auch von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen am Flughafen empfangen werden, wenn sie durch andere Organisationen, dem bulgarischen Staat oder dem zurückschickenden Staat darauf hingewiesen werden (vgl. zum Ganzen: AA, Auskunft vom 18. Juli 2017, dort Fragen 3 und 4). Zudem sind Anlaufadressen der in Bulgarien wirkenden Nichtregierungsorganisationen für jedermann zugänglich (vgl. Bulgarian Red Cross, HANDBOOK ON THE INTEGRATION OF PERSONS WHO HAVE BEEN GRANTED ASYLUM OR INTERNATIONAL PROTECTION IN MUICIPALITIES, 2017, Annex 3, S. 31, abrufbar unter: http://en.redcross.bg/files/1516-BRC_Narachnik_Integration_last_eng.pdf, zuletzt abgerufen am: 20. Juli 2018, Webseite rotes Kreuz, bulgarischer Staat), so dass der Rückkehrer den notwendigen Kontakt selbstständig herstellen kann.

20 Zudem ist festzustellen, dass insbesondere dem Bulgarischen Roten Kreuz im bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsrecht eine herausgehobene Stellung zugewiesen ist. Denn es nimmt im Auftrag des bulgarischen Staates und in Kooperation mit der staatlichen Flüchtlingsbehörde (State Agency for Refugees) zentrale Aufgaben im Asyl- und Flüchtlingsrecht wahr. Es ist einerseits im Bereich der Asylantragstellung eingebunden, etwa bei der Unterbringung sowie der Bereitstellung von Hilfen zur Anpassung an die bulgarischen Verhältnisse und der (Mit-)Organisation von Sprachkursen, vgl. Art. 53 Nr. 1 Law on asylum and refugees (abrufbar unter Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig..php/en/legislation, zuletzt abgerufen am 11. Juli 2018). Die Art. 53 Nr. 4, 56 Abs. 1 des bulgarischen Asylgesetzes sehen daneben ausdrücklich vor, dass die Organisation auch bei der Integration der anerkannten Schutzberechtigten mitwirkt und sowohl soziale, medizinische und psychologische Begleitung als auch Hilfe bei der Suche nach einer Beschäftigung mitanbietet. Dafür, dass das Bulgarische Rote Kreuz seinem gesetzgeberischen Auftrag nicht gerecht würde, besteht vorliegend kein hinreichender Anhalt.

21 Soweit das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass Nichtregierungsorganisationen nur in Einzelfällen bei der Wohnungssuche helfen würden, mithin Obdachlosigkeit drohe (vgl. Urteil vom 29. Januar 2018, a.a.O.), kann dies der in Bezug genommenen Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 18. Juli 2017 (a.a.O.) nicht explizit entnommen werden. Auch der daraus abgeleiteten Einschätzung, Nichtregierungsorganisationen seien angesichts ihrer Abhängigkeit von der jeweiligen Projektfinanzierung nicht in der Lage, den in Deutschland lebenden anerkannten Schutzberechtigten bei einer Rückkehr nach Bulgarien Unterkünfte zu verschaffen, kann nicht in seiner Allgemeinheit gefolgt werden. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die große Mehrzahl der anerkannten Schutzberechtigten Bulgarien zeitnah nach der Statusentscheidung verlässt und es keine verlässlichen Angaben dazu gibt, wieviele Schutzberechtigte sich in diesem Land überhaupt aufhalten und ernsthaft versuchen, sich unter den dortigen bescheidenen Lebensverhältnissen einzurichten (Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 2). Bekannt ist, dass Bulgarien in der Regel nur als "Transitland" genutzt wird, um in wohlhabendere Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter zu wandern, so dass sich die Arbeit von in Bulgarien ansässigen Nichtregierungsorganisationen - jedenfalls vorerst - auf eine vergleichsweise kleine Gruppe beschränkt (vgl. hierzu im Einzelnen: VG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2017 -23 L 503.17 A -, juris [m.w.N.]). Auch hinsichtlich der Lebensverhältnisse von zurückkehrenden Schutzberechtigten direkt nach ihrer Rückkehr nach Bulgarien fehlt es an aussagekräftigen Angaben, obgleich bekannt ist, dass Rückführungen stattgefunden haben. Abgesehen davon gibt es - obwohl dies bei den beschriebenen Verhältnissen zu erwarten wäre - keine Angaben über die Anzahl von anerkannten Schutzberechtigten, die obdachlos sind (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 9). Der UNHCR weist selbst nur darauf hin, dass insbesondere hilfebedürftige (sog. vulnerable) Schutzberechtigte gefährdet sind, in Bulgarien obdachlos zu werden (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 9 unter Verweis auf einen Bericht von UNHCR Bulgaria vom April 2017 [Age, Gender and Diversity, Partici - patory Assessment, S.10]). Hiervon ausgehend spricht Überwiegendes dafür, dass die schwierigen Verhältnisse für nicht vulnerable Gruppen von Schutzberechtigungen jedenfalls durch Vororthilfen durch Nichtregierungsorganisationen überwunden werden können. Angesichts der (bisher) geringen Anzahl von zu integrierenden Schutzberechtigten kann nicht davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich rückkehrenden Schutzberechtigten die erforderliche Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen ausbleibt, so dass für eine Verletzung von Art. 3 EMRK jedenfalls derzeit kein greifbarer Anhalt besteht. Zudem ist der (Einzel-)Fall des zurückkehrenden Schutzberechtigten und nicht etwa die Gesamtheit der in Deutschland lebenden und durch Bulgarien anerkannten Schutzberechtigten zu betrachten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger keine Unterstützung erfahren wird, weil Nichtregierungsorganisationen bereits jetzt überfordert wären, liegen nicht vor. 22 Dass die Hindernisse, auf die Schutzberechtigte bei der gemeindlichen Adressregistrierung stoßen, die Voraussetzung für die Meldung als arbeitssuchend und den Bezug von Sozialhilfe ist (vgl. Dr. Ilareva, Bericht vom 7. April 2017, S. 7 unter Bezugnahme auf ihren Bericht vom 27. August 2015), nicht durch Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, die insbesondere rechtliche und soziale Hilfen leisten (s. o.), überwunden werden können, lässt sich der derzeitigen Auskunftslage ebenfalls nicht entnehmen.

23 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass anerkannte Schutzberechtigte durch Wahrnehmung der von Nichtregierungsorganisationen geleisteten Hilfestellungen ein schrittweiser Übergang in die Selbständigkeit einer Inländergleichbehandlung ermöglicht wird, insbesondere eine Unterkunft im Sinne eines Obdaches mit Schlafgelegenheit gefunden werden kann (vgl. hierzu auch: VG Berlin, a.a.O.). Die nach der Auskunftslage - weiterhin - bestehenden defizitären schweren Bedingungen für Schutzstatusinhaber in Bulgarien erzwingen sodann eine hohe Eigeninitiative des Einzelnen, um dem schwierigen - jedoch durch Nichtregierungsorganisationen unterstützten - Integrationsprozess gerecht werden zu können. Dies muss jedenfalls von alleinstehenden Statusinhabern ohne besondere gesundheitliche Einschränkungen, die in der Lage sind, sich dem Arbeitsmarkt zu stellen, verlangt werden (vgl. so bereits: OVG LSA, Beschluss vom 6. September 2016, a.a.O.). Den Menschenrechten ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass anerkannten Flüchtlingen eine langfristig größere öffentliche Unterstützung zusteht, als Inländer von ihrem Heimatstaat verlangen können (vgl. Thym, a.a.O., S. 614). [...]