VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 16.08.2018 - 10 CE 18.1335 - asyl.net: M26588
https://www.asyl.net/rsdb/M26588
Leitsatz:

Duldungsanspruch des biologischen Vaters:

Art 6 Abs 2 S 2 GG schützt zwar primär den rechtlichen Vater,  jedoch bildet auch der biologische Vater mit seinem Kind eine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie, wenn zwischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht (unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1 BvR 1724/01 – juris).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Eltern-Kind-Verhältnis, Vaterschaftsanerkennung, rechtlicher Vater, biologischer Vater, Duldung, inlandsbezogenes Abschiebungshindernis,
Normen: AufenthG § 60a
Auszüge:

[...]

11 Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zwar primär den rechtlichen Vater schützt, dass jedoch auch der (nur) biologische (leibliche) Vater mit seinem Kind eine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie bildet, wenn zwischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht (BVerfG, B.v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1 BvR 1724/01 – juris). Hierfür ist durch eine differenzierte Bewertung des Einzelfalls zu prüfen, ob eine familiäre Gemeinschaft oder jedenfalls eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BayVGH, U.v. 26.9.2016 – 10 B 13.1318 – juris Rn. 32).

12 Anders als das Verwaltungsgericht ist der Senat jedoch der Meinung, dass der Antragsteller in einem für das Verfahren nach § 123 VwGO hinreichendem Maß dargelegt hat, dass zwischen ihm und seinem Sohn eine derartige sozial-familiäre Beziehung besteht, so dass es zumindest nicht ausgeschlossen erscheint, dass seine Abschiebung im Hinblick darauf rechtswidrig sein könnte. Dies ergibt sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Kindsmutter und aus den schriftlichen Äußerungen des Kinderarztes, des Kindergartens, des Tagesheims und der Klassenlehrerin des Kindes. Es trifft zwar zu, dass die Angaben teilweise, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, wenig konkret sind, in der Zusammenschau ergeben sie jedoch zusammen mit den eigenen Ausführungen des Antragstellers ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller jedenfalls über längere Zeit eine enge Beziehung zu seinem Sohn hatte und dass diese auch nach außen zutage getreten ist. Die Angaben sind so weit substantiiert, dass sie Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, um das familiäre Verhältnis des Antragstellers zu seinem Sohn (und im Übrigen auch zu dessen Mutter) weiter aufzuklären, um festzustellen, in welchem Ausmaß das Kindeswohl durch eine Abschiebung des Antragstellers berührt wäre und wie den Anforderungen des Art. 6 GG einerseits und den öffentlichen Interessen andererseits Rechnung getragen werden kann. Insoweit bietet sich insbesondere eine persönliche Anhörung der Kindesmutter und eine sachverständige Äußerung des zuständigen Jugendamtes an. Nach Aufklärung der familiären und sozialen Bindungen wird die Antragsgegnerin über den weiteren Aufenthalt des Antragstellers zu entscheiden haben; hier sind zu seinen Lasten die Ausweisungsinteressen, die er durch seinen langjährigen unerlaubten Aufenthalt (erneut) verwirklicht hat, in die Entscheidung einzustellen, ebenso ist dabei zu prüfen, ob aufgrund der aktuellen Situation die Befristung des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots wie beantragt zu verkürzen ist. [...]