VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 14.08.2018 - 25 K 358.17 A - asyl.net: M26591
https://www.asyl.net/rsdb/M26591
Leitsatz:

1. Turkmenen droht wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit keine Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure.

2. Zwar kam es in der Vergangenheit zu Verfolgungshandlungen gegen schiitische Turkmenen durch den IS, aufgrund der veränderten politischen Lage sprechen aber nunmehr gewichtige Gründe dagegen, dass es im Fall der Rückkehr in den Irak zu erneuter Verfolgung kommt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Irak, Turkmenen, Schiiten, Gruppenverfolgung, Upgrade-Klage, Aufstockungsklage, subsidiärer Schutz, Flüchtlingsanerkennung, religiöse Verfolgung, Islamischer Staat,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 4
Auszüge:

[...]

15 Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) verfolgen im Irak keine staatlichen oder nichtstaatlichen Akteure Turkmenen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylG (1). Soweit der IS Turkmenen in der Vergangenheit aufgrund ihrer schiitischen Religionszugehörigkeit i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG verfolgt hat, sprechen inzwischen stichhaltige Gründe, gegen eine erneute Verfolgung (2). Schließlich ist die Sorge des Klägers unbegründet, ihm werde im Irak unterstellt, den IS unterstützt zu haben. Ihm droht keine Verfolgung aufgrund einer dementsprechenden zugeschriebenen politischen Überzeugung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG (3).

16 1. Aus den gerichtlichen Erkenntnissen ergibt sich nicht, dass derzeit staatliche oder nichtstaatliche Akteure Turkmenen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylG im Irak verfolgen.

17 Turkmenen stellen die drittgrößte ethnische Gruppe im Irak dar (vgl. Minority Rights Group International, Crossroads: The future of Iraq’s minorities after ISIS, June 2017, S. 10; Heartland Alliance, 2015, S. 31). Die internationalen entsprechenden Schätzungen liegen zwischen 400.000 und 600.000 Turkmenen, die im Irak leben (vgl. Minority Rights Group International, Crossroads: The future of Iraq’s minorities after ISIS, June 2017, S. 10; vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 17). Die meisten von ihnen sind schiitischen oder sunnitischen Glaubens (vgl. Minority Rights Group International, Crossroads: The future of Iraq’s minorities after ISIS, June 2017, S. 10). Es sollen allerdings auch rund 30.000 christliche Turkmenen im Irak leben (vgl. Minority Rights Group International, Between the Millstones: The State of Iraq’s Minorities Since the Fall of Mosul, 2015, S. 8, siehe ferner: Heartland Alliance, 2015, S. 31). Die meisten Turkmenen leben in den nördlichen Gebieten des Iraks bis zur Provinz Wassit – mit der größten Konzentration in Kirkuk. Sie sind hier traditionell verankert (vgl. Heartland Alliance, 2015, S. 31 ff; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Shabak, 20.  April 2017, S. 5). Die turkmenische Gemeinschaft des Iraks ist eng mit der Türkei verbunden und wird von dieser auch unterstützt (vgl. Minority Rights Group International, Crossroads: The future of Iraq’s minorities after ISIS, June 2017 S. 10; Oehring, Christen und Jesiden im Irak: Aktuelle Lage und Perspektiven, 2017, S. 60).

18 Für eine Verfolgung turkmenischer Iraker im oben genannten Sinne ist dabei nicht ausreichend, dass es in der Vergangenheit immer wieder Spannungen zwischen Turkmenen und Arabern bzw. Kurden gegeben hat (vgl. hierzu: zB Auswärtiges Amt jeweils Lagebericht vom 11. Januar 2007, S. 23; vom Oktober 2007 S. 15; vom 6. Oktober 2008, S. 14; vom 12. August 2009, S. 16; vom 11. April 2010, S. 26; vom 28. November 2010, S. 26; vom 26. März 2012, S. 24; vom 17. Januar 2013, S. 19). Aus den gerichtlichen Erkenntnissen ergibt sich – neben dem bereits ausgeführten –, dass sich Turkmenen sowohl mit den irakischen Arabern wie mit den irakischen Kurden grundsätzlich verständigen können. So haben sich etwa Teile der schiitischen Turkmenen den schiitischen Milizen angeschlossen. Ebenso ist dokumentiert, dass schiitische Milizen die schiitischen Turkmenen teilweise wieder in den ehemaligen vom IS besetzten Gebieten ansiedeln (vgl. EASO, COI Meeting Report, Iraq Practical Cooperation Meeting 25-26 April 2017, Brussels, S. 20; Accord, (Zwangs-) Rekrutierung durch schiitische Milizen, März 2017, S. 12). Darüber hinaus gelingt es Kurden und Turkmenen – trotz weiteren Spannungen – zusammen zu leben, wie etwa in den Provinzen Kirkuk oder Salah-Al Din (vgl. Minority Rights Group International, Crossroads: The future of Iraq’s minorities after ISIS, June 2017, S. 6, 9, 10, 23). Soweit die turkmenische Gemeinschaft im Irak mit ihren Belangen nicht zur irakischen Zentralregierung durchdringen kann, soll dies auch daran liegen, dass die Gemeinschaft bislang nicht in der Lage war, mit einer Stimme zu sprechen (vgl. Heartland Alliance, 2015, S. 33 ff.), und das, obwohl Turkmenen im kurdischen Regionalparlament sitzen und in Bagdad an der Regierung beteiligt waren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 7, Oktober 2013, S. 20; Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 11).

19 2. Soweit der IS in der Vergangenheit schiitische Turkmenen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG verfolgt hat (a), ist die Klage ebenso nicht begründet. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass dem Kläger aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit erneut eine Verfolgung durch den IS droht (b).

20 a) Im Zuge des IS-Vormarsches seit Mitte 2014 kam es wiederholt zu kollektiven Vertreibungen von Turkmenen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 16, Human Rights Council, Report of the Special Rapporteur on minority issues on her mission to Iraq, 9 January 2017, S. 16; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kaka’i / Yarsan / Ahl-e-Haqq, 17. Juli 2017, S. 7 m.w.N. ). Ende 2016 flüchteten tausende Turkmenen aus Tal Afar vor den Kampfhandlungen des IS (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 17). Zuvor hatte der IS bereits die mehrheitlich schiitisch-turkmenische Stadt Amerli im Gouvernement Salah Al-Din belagert und vom 15. Juni bis 31. August 2015 mit Raketen beschossen und versucht, diese zu erobern (vgl. Human Rights Council, Report of the Special Rapporteur on minority issues on her mission to Iraq, 9 January 2017, S. 12).

21 Die Angriffe richteten sich gegen die schiitischen Turkmenen – wie etwa auch in Tal Afar (vgl. Oehring, Christen und Jesiden im Irak: Aktuelle Lage und Perspektiven, 2017, S. 57). So ergibt sich aus den gerichtlichen Erkenntnissen, dass Teile der sunnitischen Turkmenen nicht nur im IS-Territorium geblieben sind (vgl. EASO, COI Meeting Report, Iraq Practical Cooperation Meeting 25-26 April 2017, Brussels, S. 20; Landinfo, Iraq: Security situation and internally displaced people in Kirkuk province - May/June 2015, Report, S. 17), sondern zudem auch diese Terrormiliz unterstützt haben (vgl. UNHCR-Position zur Rückkehr in den Irak, 14. November 2016, Rn. 23) – während der IS die schiitischen Turkmenen massenhaft vertrieben hat bzw. diese massenhaft geflohen und zB in die Provinz Babil gegangen sind (vgl. EASO, COI Meeting Report, Iraq Practical Cooperation Meeting 25-26 April 2017, Brussels, S. 20; Landinfo, Iraq: Security situation and internally displaced people in Kirkuk province - May/June 2015, Report, S. 17; IOM, Integrated Location Assessment, March 2017, S. 6).

22 b) Die irakischen Streitkräfte haben inzwischen die Kontrolle über die vom IS besetzten Gebiete zurückerlangt. Ebenso gehen die dortigen Sicherheitskräfte sowie die Justiz massiv gegen den IS vor. Vor diesem Hintergrund ist auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht ersichtlich, wie der IS seine Dominanz im Irak wiedererlangen könnte, die er insbesondere in den Jahren 2014 und 2015 dort hatte.

23 Der IS ist im Irak inzwischen weitestgehend besiegt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 3, 6; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, 24. August 2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 18. Mai 2018, S. 9 m.w.N.; Renad Mansour, Iraq After the Fall of ISIS: The Struggle for the State, July 2017). Am 9. Dezember 2017 gab Premierminister al-Abadi die vollständige Befreiung des gesamten irakischen Territoriums vom IS bekannt (vgl. United States Commission on International Religious Freedom, Annual Report 2018, Irak; Congressional Research Service, Iraq: In Brief, March 5, 2018, S. 1). Auch Mossul – die Heimatregion des Klägers – ist befreit. Nachdem der IS im Juni 2014 die Kontrolle über die Stadt erlangt hatte, gelang die Rückeroberung von Ost-Mossul im Januar 2017 – von West-Mossul Juli 2017. Seitdem steht die ganze Stadt unter der Kontrolle der irakischen Regierung bzw. der irakischen Sicherheitskräfte, den Stammesmilizen und Milizen der Popular Mobilization Forces (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Sicherheitslage Mossul, Hammam al-Alil, Übergriffe auf Sunniten und Rückkehrer, 23. April 2018, S. 2; Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 3). Fast der gesamte Rest der Provinz Niniwe ist seit September 2017 befreit (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Sicherheitslage Mossul, Hammam al-Alil, Übergriffe auf Sunniten und Rückkehrer, 23. April 2018, S. 8). Im Spätsommer 2017 nahmen irakische Streitkräfte Tal Afar und Hawijah wieder ein und starteten im Oktober neue Operationen in Anbar (vgl. Congressional Research Service, Iraq: In Brief, March 5, 2018, S. 2).

24 Hinzu kommt, dass die irakischen Sicherheitskräfte in den zurückeroberten Gebieten massiv gegen Mitglieder des IS vorgehen; wie auch gegen IS-Sympathisanten und solchen Personen, die allein im Verdacht stehen, für den IS tätig gewesen zu sein (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 20; UNHCR, Tribal Conflict Resolution in Iraq, Februar 2018, S. 4). Ebenso werden bereits Verwandte von mutmaßlichen IS-Mitgliedern diskriminiert. Ihre Lage ist prekär (vgl. Lifos, The Security Situation in Iraq July 2016 – November 2017, S. 43). So verweigern etwa irakische Sicherheitsoffiziere routinemäßig diesen die Sicherheitsfreigabe, um Personalausweise und andere Dokumente zu erhalten. Damit kommt es zu kollektiven Bestrafungen (vgl. Human Rights Watch, Iraq: Families of Alleged ISIS Members Denied IDs, 25 February 2018; UNHCR, Tribal Conflict Resolution in Iraq, Februar 2018, S. 4). Für Mossul ist indes vielfach dokumentiert, dass die dortigen Sicherheitskräfte dort regelmäßig Mitglieder des IS – mitunter auch führenden IS-Mitgliedern – festnehmen oder gegen IS-Zellen vorgehen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Sicherheitslage Mossul, Übergriffe auf Sunniten und Rückkehrer, 23. April 2018, S. 12 ff.).

25 Im Zuge der Verdrängung des IS kommt es inzwischen zu entsprechenden internationalen wie nationalen Ermittlungen. Die Resolution 2379 des UN-Sicherheitsrates ermächtigt ein UNO-Ermittlungsteam dazu, im Irak Beweise gegen den IS zu sammeln und zu konservieren. Zudem schafft die Resolution die Position eines UN-Sonderberaters für die Verantwortlichkeit des IS für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord (vgl. United States Commission on International Religious Freedom, Annual Report 2018, Irak). Darüber hinaus kommt es auf nationaler Ebene zu teils unverhältnismäßigen und rechtsstaatswidrigen Strafprozessen gegen Personen, die beschuldigt werden, für den IS gearbeitet zu haben. Die irakische Justiz verhängt und vollstreckt wohl in fragwürdigen Verfahren gegenüber mutmaßlichen IS-Kämpfern zunehmend die Todesstrafe (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 20). Als gesetzliche Grundlage für die entsprechenden Ermittlungen und Bestrafungen dienen wohl vor allem die Gesetze zur Terrorismusbekämpfung, die es den zuständigen Richtern erlauben, gegen eine Vielzahl von Personen Anklage zu erheben, einschließlich einiger, die nicht in bestimmte Gewalttaten verwickelt sind, sondern den IS unterstützt haben, wie z.B. Ärzte, die im vom IS geführten Krankenhäusern gearbeitet oder Köche, die Lebensmittel für die Kämpfer zubereitet haben. Die Anti-Terror-Gesetze enthalten erhebliche Strafandrohungen – selbst für die bloße Mitgliedschaft beim IS wie etwa Gefängnis- oder sogar die Todesstrafe (vgl. Human Rights Watch, Flawed Justice Dezember 2017, S. 3). Die Gerichte sollen ihre Verurteilungen nach den Anti-Terror-Gesetzen zunehmend auf Geständnisse oder Beweise von geheimen Informanten stützen (vgl. Lifos, Iraq Rule of Law in the Security and Legal system, 2014, S. 14). Darüber hinaus scheint die strafrechtliche Verteidigung schwierig zu sein. So erließen etwa zwischen Juli und August 2017 die irakischen Behörden Haftbefehle gegen mindestens 15 Rechtsanwälte, die mutmaßliche IS Mitglieder verteidigt hatten. Den Anwälten wurde vorgeworfen, sie stünden mit dem IS in Verbindung. Ausgehend hiervon befürchteten viele ihrer Kollegen, sie könnten ebenfalls inhaftiert werden, weil sie Mandanten verteidigten, denen eine IS-Mitgliedschaft zur Last gelegt wurde (vgl. Amnesty International, Irak 2017/18).

26 3. Die Klage hat schließlich auch keinen Erfolg, soweit der Kläger geltend macht, ihm werde im Irak als schiitischer Turkmene mit einem sunnitischen Stammesnamen unterstellt, für den IS tätig gewesen zu sein und er im Falle seiner Rückkehr insoweit Opfer der oben dargestellten Entwicklung werden würde bzw., ihm dort eine Verfolgung aufgrund einer zugeschriebenen politischen Überzeugung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG drohe. Er ist weder Sunnit noch hat er in den vom IS besetzen Gebieten während dessen Herrschaft weitergelebt (a). Darüber hinaus liegen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass ihm aufgrund seines Stammesnamens eine sunnitische Religionszugehörigkeit zugeschrieben werden könnte (b).

27 a) Hinsichtlich der Turkmenen ist bezogen auf die dargestellte neue Entwicklung zu unterscheiden; einerseits zwischen den schiitischen und sunnitischen Turkmenen und andererseits zwischen denjenigen, die vor dem IS geflohen sind und denjenigen die unter seiner Herrschaft weitergelebt haben. Während die sunnitischen Turkmenen, die – wie bereits ausgeführt – teilweise im IS-Territorium weitergelebt haben (vgl. EASO, COI Meeting Report, Iraq Practical Cooperation Meeting 25-26 April 2017, Brussels, S. 20) wohl auch mit Racheakten zu rechnen haben (vgl. UNHCR-Position zur Rückkehr in den Irak, 14. November 2016, Rn. 23; Auswärtiges Amt, Lagebericht, 12. Februar 2018, S. 17; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Sicherheitslage in Mossul, 23. April 2018, S. 39) und darüber hinaus auch nicht ohne eine Bürgschaft in die Region Kurdistan-Irak einreisen dürfen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kirkuk: Sicherheitslage, Wirtschaftslage, Zugang aus Kirkuk in die KRI, 21.4.2017, S. 17 m.w.N.) sowie nicht ohne Weiteres nach Bagdad kommen (vgl. UNHCR, Subject Internal Flight Alternative in Baghdad, 5. Februar 2018, S. 2, 3; UNHCR, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative, 12. April 2017, S. 3), ist für die schiitischen Turkmenen entsprechendes nicht dokumentiert. Vielmehr scheinen sich – wie bereits ausgeführt – wohl schiitische Turkmenen teilweise schiitischen Milizen anzuschließen (wie etwa der Asa'ib Ahl al-Haqq) und sich wieder in den ehemals vom IS besetzen Gebieten anzusiedeln (vgl. EASO, COI Meeting Report, Iraq Practical Cooperation Meeting 25-26 April 2017, Brussels, S. 20; Accord, (Zwangs-) Rekrutierung durch schiitische Milizen, März 2017, S. 12).

28 b) Soweit es sich bei dem Familien- bzw. Stammesnamen des Klägers um einen sunnitischen Nachnamen handeln sollte, führt dies auch zu keiner anderen Bewertung; obwohl der Einzelrichter auch sieht, dass der im Reisepass vermerkte Vorname bzw. Familien- oder Stammesname sowie der Herkunftsort Hinweise auf die Religionszugehörigkeit geben kann (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Stammesnamen, Dokumente, 2. Oktober 2017, S. 1, Home Office UK, Country Information and Guidance Iraq: Sunni (Arab) Muslims, August 2016, S. 27; Upper Tribunal, BA, Returns to Baghdad, Iraq CG, 2017, UKUT 00018, IAC S. 27; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Verfolgung aufgrund eines "sunnitischen/schiitischen" Namens, 6. Oktober 2016; Deutsches Orient-Institut, Auskunft zum Beschluss A 1 K 5641/16, 22. November 2017).

29 Im vorliegenden Fall ist jedoch bereits schon unklar, ob der Stammesname des Klägers überhaupt im Irak als ein sunnitischer Name bekannt ist. Immerhin hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, die Hälfte seines Stammes seien Sunniten – die andere Hälfte seien Schiiten. Darüber hinaus bezieht sich nach Auffassung des Gerichts die aufgezeigte Erkenntnislage auf diejenigen, die in den vom IS besetzten Gebieten geblieben sind und nicht auf diejenigen, die – wie vorliegend auch der Kläger – vor den heranrückenden Kämpfern geflohen sind. Zudem ist der Vorname des Klägers ("...") kein eindeutig sunnitischer Vorname wie etwa Omar oder Bakr (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Verfolgung aufgrund eines "sunnitischen/schiitischen" Namens, 6. Oktober 2016; Deutsches Orient-Institut, Auskunft zum Beschluss A 1 K 5641/16, 22. November 2017). Vielmehr ergibt sich aus den gerichtlichen Erkenntnissen, dass der Vorname ... auch von Schiiten verwendet wird. So tragen etwa mehrere schiitische Milizen oder deren Anführer den Namen ... (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, 24. August 2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 18. Main 2018, S. 77, Home Office UK, Country Information and Guidance, Iraq: Sunni, Arab, Muslims, August 2016, S. 19; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Irak Haftbedingungen, 25. Oktober 2016. S. 8, Accord, Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq, 20. Februar 2017, S. 3; siehe für weitere schiitische Namensträger: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Verfolgung aufgrund eines "sunnitischen/schiitischen" Namens, 6. Oktober 2016, S. 5; Accord, Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle Lage in Bagdad: Überblick Gebietskontrolle; Sicherheitslage aktuell und Entwicklungen seit 2016; Lage von Sunniten 27. März 2017, S. 14.). [...]