1. Die Richtlinie 2013/32/EU findet in Deutschland auch auf Asylanträge Anwendung, die vor dem 20. Juli 2015 gestellt worden sind.
2. Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) und Art. 40 Abs. 2 RL 2013/32/EU erfassen auch mitgliedstaatübergreifende Folgeanträge.
(Amtliche Leitsätze, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 25.07.2018 - C-585/16 - asyl.net: M26700)
[...]
5 Es trifft bereits nicht zu, dass die Zulässigkeit des vor dem 20. Juli 2015 gestellten Asylantrags der Klägerin vom 29. Januar 2015 an der Richtlinie 2005/85/EG zu messen ist. Gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU wenden die Mitgliedstaaten die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften nach Art. 51 Abs. 1 der genannten Richtlinie auf Anträge auf internationalen Schutz "nach dem 20. Juli 2015 oder früher an". Gemäß Satz 2 dieser Regelung gelten für vor diesem Datum gestellte Anträge die Rechtsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2015 (BVerwG 1 B 41.15) hieraus gefolgert, dass ein vor dem 20. Juli 2015 gestellter Asylantrag nur nach Maßgabe der Regelung des Art. 25 der RL 2005/85/EG als unzulässig betrachtet werden könne (a.a.O. Rn. 11, zit. n. juris). Es hat jedoch vor dem Hintergrund hiervon abweichender Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte die Frage der Reichweite der Übergangsregelung des Art. 52 Abs. 1 RL 2013/32/EU mit Beschluss vom 23. März 2017 (BVerwG 1 C 17.16) dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Zwar hat der Gerichtshof, soweit ersichtlich, in diesem Verfahren (C-297/17) noch keine Entscheidung getroffen. Er hat jedoch mit Urteil vom 25. Juli 2018 im Verfahren C-585/16 die zeitliche Anwendbarkeit der RL 2013/32/EU geklärt (a.a.O. Rn. 67 ff.). Danach steht es den Mitgliedstaaten aufgrund des Passus "oder früher" in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 RL 2013/32/EU frei, diese Richtlinie auch auf bereits vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge anzuwenden, und zwar selbst dann, wenn in den nationalen Vorschriften erst nach dem Erlass des angefochten Bescheides der maßgebliche Unzulässigkeitsgrund normiert worden ist (a.a.O. Rn. 81).
6 Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der RL 2013/32/EU am 19. Juli 2013 bereits Geltung beanspruchte und nunmehr Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU umsetzt, ist in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. gerichtlichen Entscheidung abzustellen, nicht auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März 2017, a.a.O. Rn. 20). Mit dem Verzicht auf eine Übergangsregelung für Asylanträge, die bereits vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurden, hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 29 AsylG durch das insoweit am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz mithin von der ihm in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, auch Altanträge an der RL 2013/32/EU messen zu lassen. Unionsrecht stand daher bereits zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung durch die Beklagte am 2. November 2016 der Anwendung des § 29 Abs. 1 Ziff. 5 AsylG nicht entgegen.
7 Zu Unrecht geht der Zulassungsantrag ferner davon aus, Art. 33 Abs. 2 lit. d) i.V.m. Art. 40 Abs. 2 RL 2013/32/EU erfasse nur Folgeanträge, die im selben Mitgliedstaat gestellt werden wie die jeweiligen Erstanträge, weshalb die Regelung des § 71a AsylG in der Auslegung durch das Verwaltungsgericht unionsrechtswidrig sei. Auch insoweit bedarf es nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren bzw. in einem in dessen Rahmen durchzuführenden Vorabentscheidungsverfahren. Zwar liegt hierzu eine ausdrückliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, soweit ersichtlich, noch nicht vor (offen gelassen daher vom BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – BVerwG 1 C 4.16 – juris Rn. 26 unter Hinweis auf Marx, AsylG, 9. Aufl., § 71a Rn. 3 ff.). Der Senat sieht diese Frage indessen als acte clair an. Gemäß Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU bezeichnet der Ausdruck "Folgeantrag" einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird. Eine Beschränkung auf Folgeanträge im selben Mitgliedstaat enthält die Regelung nicht. Anders als Art. 40 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 1 Satz 1 lit. b) RL 2013/32/EU enthält auch Art. 40 Abs. 2 und 3 RL 2013/32/EU eine solche Beschränkung nicht (dies verkennt Marx, a.a.O.). Zutreffend geht der Generalanwalt im Verfahren C-213/17 in seinem Schlussantrag vom 13. Juni 2018 daher davon aus, dass sich die Mitgliedstaaten darin einig sind, die von anderen Mitgliedstaaten erlassenen Asylentscheidungen anzuerkennen, (auch) wenn sie negativ sind (a.a.O. Rn. 107), weshalb auch mitgliedstaatsübergreifende Folgeanträge die Unzulässigkeit nach Art. 33 Abs. 2 lit. d RL 2013/32/EU zur Folge haben können (a.a.O. Rn. 109). Der Gerichtshof hatte keine Veranlassung, diese Annahme in seinem Urteil vom 5. Juli 2018 (C-213/17) zu beanstanden. [...]