OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.10.2018 - 18 B 895/16 - asyl.net: M26704
https://www.asyl.net/rsdb/M26704
Leitsatz:

1. Die Meldepflicht nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entsteht kraft Gesetz. Sie steht unter dem Vorbehalt einer abweichenden Bestimmung durch die Ausländerbehörde.

2. Die Meldepflicht entsteht kraft Gesetz wenn eine Ausweisung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 (oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG) durch die Ausländerbehörde verfügt wurde. Dabei kommt es darauf an, auf welches Ausweisungsinteresse die Ausländerbehörde die Ausweisung gestützt hat.

3. Auch in Verfahren des verläufigen Rechtsschutzes gegen die gesetzliche oder verfügte Meldepflicht ist es erforderlich, dass das Gericht überprüft, ob die Ausländerbehörde ob das von der Ausländerbehörde geltend gemachte Ausweisungsinteresse tatsächlich besteht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausweisung, Meldepflicht, Ausweisungsinteresse, PKK,
Normen: AufenthG § 56 Abs. 1
Auszüge:

[...]

22 Auszugehen ist deshalb von § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der derzeit geltenden Fassung. Danach unterliegt ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nummer 2 bis 5 AufenthG (oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a) besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Im Gegensatz zu § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F. setzt § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nicht mehr voraus. Die Norm begründet eine unmittelbar kraft Gesetzes eintretende einmal wöchentliche Meldepflicht, die unter dem Vorbehalt einer abweichenden Bestimmung durch die Ausländerbehörde steht.

23,24 Nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt es für den Eintritt der unmittelbar kraft Gesetzes entstehenden Meldepflicht nach § 56 Abs. 1 Satz AufenthG nicht auf eine auch in Abwägung mit den Bleibeinteressen rechtmäßige Ausweisungsverfügung (vgl. § 53 AufenthG), sondern nur darauf an, dass eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines dort näher bezeichneten Ausweisungsinteresses (oder einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG) besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Ausweisungsverfügung von der Ausländerbehörde auf ein dementsprechendes Ausweisungsinteresse gestützt worden ist (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 56 Rn. 6). [...]

36,37 Der Betroffene bleibt insoweit auch nicht rechtsschutzlos, wenn das von der Ausländerbehörde in Anspruch genommene Ausweisungsinteresse tatsächlich nicht besteht und/oder die von dem Ausländer ausgehende Gefahr eine wöchentliche Meldepflicht nicht rechtfertigt. Zwar führt nach der Konzeption des § 56 Abs. 1 und 2 AufenthG eine etwaige aufschiebende Wirkung von gegen die Ausweisungsverfügung eingelegten Rechtsbehelfen - anders als noch unter Geltung von § 54a AufenthG a.F. - nicht mehr zum Wegfall der Überwachungsmaßnahmen. Der Betroffene kann aber - auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - einen Antrag auf abweichende Entscheidung der Ausländerbehörde nach § 56 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Abs.2 letzter Halbsatz AufenthG stellen und dieses Begehren ggf. gerichtlich weiterverfolgen. Dadurch wird dem aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes nach den Vorstellungen des Gesetzgebers hinreichend Rechnung getragen (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 54 (zu § 56 AufenthG)).

38 Dies setzt aber voraus, dass dem Ausländer ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz auch für den Fall zur Verfügung steht, dass das von der Behörde in Anspruch genommene Ausweisungsinteresse tatsächlich nicht gegeben ist. Es wäre nämlich mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren, wenn der Ausländer sich aufgrund der in § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angelegten Tatbestandswirkung auch der nicht vollziehbaren Ausweisungsverfügung ein Ausweisungsinteresse solange entgegenhalten lassen müsste, bis die Ausweisungsverfügung im Hauptsacheverfahren aufgehoben wird. Art. 19 Abs. 4 GG erfordert deshalb eine Beschränkung der Tatbestandswirkung auf die unmittelbar kraft Gesetzes eintretende wöchentliche Meldepflicht. Begehrt der Ausländer nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine abweichende Bestimmung durch die Ausländerbehörde – insbesondere eine Aufhebung der Meldepflicht – oder setzt diese von sich aus einen engmaschigeren Melderhythmus fest, ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung maßgeblich, ob das Ausweisungsinteresse tatsächlich besteht. [...]