VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 06.11.2018 - 3 A 247/17.A - asyl.net: M26763
https://www.asyl.net/rsdb/M26763
Leitsatz:

Wirksamkeit der Eheschließung nach syrischem Recht:

1. In Syrien ist eine Mitwirkung des Staates für die Wirksamkeit der Eheschließung nicht erforderlich. Eheschließung an sich und Mitteilung bzw. Registrierung der Eheschließung bei Gericht oder einer anderen Behörde stellen getrennte Vorgänge dar.

2. Die Nupturienten zeigen entweder dem Gericht vorab an, dass sie die Ehe zu schließen beabsichtigen, oder sie lassen die Ehe nach der Trauung bei dem Gericht registrieren oder aber sie lassen die Eheschließung bzw. den Bestand durch das Gericht feststellen.

3. Ein Bedürfnis, die informell geschlossene Ehe zu registrieren, entsteht in der Praxis immer dann, wenn für ein Kind aus dieser Ehe Dokumente (z.B. eine Geburtsurkunde oder die Staatsangehörigkeitsurkunde) ausgestellt werden sollen. Die nachträgliche Registrierung der Eheschließung wird in das Geburtsregister eingetragen und an die Personenstandsbehörde weitergeleitet (Art. 45 Personenstatusgesetz).

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Syrien, Familienasyl, Eheschließung, wirksame Eheschließung, Registrierung der Eheschließung,
Normen: AsylG § 26,
Auszüge:

[...]

Wer Ehegatte ist, bestimmt sich für unsere Rechtsordnung verbindlich nach dem Recht, das bei der Eheschließung gegolten hat. Mit "Ehe" ist in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch zunächst die mit Eheschließungswillen eingegangene, staatlich anerkannte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau gemeint, wobei sich die Gültigkeit der Eheschließung eines Flüchtlings nicht nach dem deutschen Familienrecht, sondern grundsätzlich nach dem Recht des Herkunftslandes richtet (vgl. Bodenbender in GK-AsylG, Kommentar, Loseblatt, 2008, § 26 Rn. 45 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 15.12.1992 - 9 C 61.91 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.1995 - A 12 S 64/92 - und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.1993 - 13 A 10564/92; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 12. Auflage, 2018 § 26 Rn. 12 m.w.N.). Als Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Familienasyl kommen auch polygame Ehen in Betracht, ebenso Handschuhehen, nicht jedoch religiös geschlossene Ehen, wenn und solange sie nicht staatlich anerkannt sind (vgl. Bergmann, a.a.O. § 26 Rn. 12 unter Hinweis auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.1993 - 13 A 10564/92 -). Daher ist auch eine im Ausland geschlossene Mehrehe möglicher Anknüpfungspunkt für ein Begehren auf Familienasyl, selbst wenn diese Form der Eheschließung in Deutschland nicht zulässig und nicht anerkannt ist (vgl. Bodenbender, a.a.O., § 26 Rn. 46 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.04.1985 - 1 C 33.81; Schröder in Hofmann Ausländerrecht, Kommentar, 2. Auflage, 2016, § 26 Rn. 8). [...]

Nach der Auskunft des Max-Planck-Instituts vom 13. September 2018 ist in Syrien eine Mitwirkung des Staates für die Wirksamkeit der Eheschließung nicht erforderlich. Vielmehr stellen die Eheschließung an sich und die Mitteilung bzw. Registrierung der Eheschließung bei Gericht oder einer anderen Behörde getrennte Vorgänge dar. Die Ehepartner sind grundsätzlich verpflichtet, dem Gericht die Eheschließung anzuzeigen. Dies kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen: Die Nupturienten zeigen entweder dem Gericht vorab an, dass sie die Ehe zu schließen beabsichtigen, oder sie lassen die Ehe nach der Trauung bei dem Gericht registrieren oder aber sie lassen die Eheschließung bzw. den Bestand durch das Gericht feststellen. Da eine Ehe grundsätzlich auch formlos zustande kommen kann, wird in der Praxis oftmals von einer vorherigen Anzeige der Eheabsicht bei Gericht abgesehen. Zudem können oder wollen die Nupturienten in vielen Fällen die erforderlichen Dokumente nicht beibringen. Ein Bedürfnis, die informell geschlossene Ehe zu registrieren, entsteht in der Praxis immer dann, wenn für ein Kind aus dieser Ehe Dokumente (z.B. eine Geburtsurkunde oder die Staatsangehörigkeitsurkunde) ausgestellt werden sollen. Die nachträgliche Registrierung der Eheschließung wird in das Geburtsregister eingetragen und an die Personenstandsbehörde weitergeleitet (Art. 45 Personenstatusgesetz) (vgl. insgesamt Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, www.familenrecht-in-syrien.de). [...]