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Landesbehörden, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 14.06.2018 - - asyl.net: M26780
https://www.asyl.net/rsdb/M26780
Leitsatz:

Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde Berlin zur Wohnsitzregelung des § 12a AufenthG für anerkannte Schutzberechtigte:

1. Eine Beschäftigung i.S.d. § 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG muss derzeit ein Netto-Einkommen von mind. 730 Euro pro Monat erzielen und nachhaltig bzw. ernsthaft sein; im Rahmen einer Prognoseentscheidung reicht es für die Ernsthaftigkeit aus, wenn das Arbeitsverhältnis voraussichtlich mehr als drei Monate andauern wird.

2. Für Berlin ergehen grundsätzlich keine Wohnsitzverpflichtungen für bestimmte Bezirke nach den § 12a Abs. 2 bis 4 AufenthG. 

3. Nach einer Bund-Länder-Vereinbarung ist in den Fällen des § 12a Abs. 7, in denen Personen zwischen dem 01.01.2016 und dem Inkrafttreten des § 12a anerkannt wurden und bereits in ein anderes Bundesland verzogen sind, ein Härtefall i.S.d. § 12a Abs. 5 S. 1 Nr. 2c AufenthG anzunehmen.

4. Zuständig für die Prüfung, ob im Einzelnen die Voraussetzungen der § 12a Abs. 1 S. 2 oder Abs. 5 vorliegen, ist bei Fällen mit länderübergreifendem Bezug, bei  denen ein Umzug in ein anderes Bundesland im Raum steht, die Wegzugs-Ausländerbehörde; diese holt wiederum für die Entscheidung die schriftliche Zustimmung der Zuzugs-Ausländerbehörde ein. Antwortet die Zuzugs-Behörde nicht innerhalb von 14 Tagen, gilt die Zustimmung als erteilt.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Wohnsitzauflage, Wohnsitzregelung, Schutzberechtigte, Wohnsitzverpflichtung, Erlass, Integration, Unterbringung, Aufnahmeeinrichtung, Rückwirkung, Rückwirkungsfälle, Zuständigkeit, Verfahrenshinweise, Berlin, Weisung,
Normen: AufenthG § 12a, AsylG § 3, AsylG § 4, AufenthG § 22, AufenthG § 23, AufenthG § 25 Abs. 3, SGB II § 36, SGB II § 23 Abs. 5 S. 1, SGB II § 23 Abs. 5 S. 2, AufenthG § 12a Abs. 1, AufenthG § 12a Abs. 1 S. 2, AufenthG § 12a Abs. 5 Nr. 2, AufenthG § 12a Abs. 2, AufenthG § 12a Abs. 3, AufenthG § 12a Abs. 5, AufenthG § 12a Abs. 4, AufenthG § 12a Abs. 7,
Auszüge:

[...]

Vom Anwendungsbereich des § 12a nicht erfasst sind diejenigen Personen, die selbst oder deren Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjährige Kinder bereits einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten. [...]

Des Weiteren ist für die Anwendung des § 12a Abs. 1 S. 2 von Relevanz, dass es genügt, wenn lediglich eines der genannten Familienmitglieder eine der genannten Integrationsleitungen erbringt oder erbringen wird.

Ein Beispiel: Nimmt die älteste Tochter einer 5-köpfigen Familie 17-jährig eine Berufsausbildung auf und ist diese Tochter bereits verheiratet, so profitiert sowohl der Ehemann als auch die Eltern, nicht aber die anderen minderjährigen Geschwister der Auszubildenden von § 12a Abs. 1 S. 2. Für die minderjährigen Geschwister wäre dann allerdings auf Antrag § 12a Abs. 5 Nr. 2 c zu prüfen. [...]

Örtlich zuständig für die Prüfung der Voraussetzungen des S. 2 und damit für die abschließende Entscheidung des Bestehens einer Wohnsitzregelung ist nach übereinstimmender Auffassung der Innenministerien und -senatsverwaltungen des Bundes und der Länder ausschließlich die Ausländerbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich der Ausländer für die Dauer des Asylverfahrens seinen Wohnsitz nehmen musste ("Wegzugs-ABH").

Merke: Die örtlich zuständige Ausländerbehörde trifft die Entscheidung eines Wegfalls der Wohnsitzzuweisung grundsätzlich allerdings nur nach vorheriger Zustimmung der für den Zuzugsort örtlich zuständigen Ausländerbehörde, wenn und soweit ein länderübergreifender Zusammenhang besteht. Diese ist schriftlich um Zustimmung zu bitten.

Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die für den Zuzugsort zuständige Ausländerbehörde nicht innerhalb von 14 Tagen ab Eingang der Anfrage die Zustimmung erteilt. Bei Postversand beginnt die Frist 3 Tage nach Absendung der Anfrage durch die Wegzugs-ABH. Analog § 31 AufenthV kann die Schweigefrist innerhalb dieses Zeitraums unterbrochen werden. Zur Unterbrechung ist das hierfür vorgesehene Formular zu verwenden. [...]

Der Umfang der Beschäftigung muss mindestens 15 Wochenstunden betragen und ein Netto-Einkommen von derzeit mindestens 730 Euro pro Monat erzielt werden (derzeit durchschnittlicher Bedarf nach §§ 20, 22 SGB II für eine Einzelperson). Minijobs und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse heben die Verpflichtung nach Abs. 1 nicht auf. Zweck dieser Regelung ist es, Personen, die an einem anderen als dem ihnen zugewiesenen Ort einer Beschäftigung nachgehen können, die geeignet ist, den Lebensunterhalt zumindest teilweise zu decken, einen Umzug an diesen Ort zu ermöglichen, da mit der Ausübung dieser Beschäftigung vermutet wird, dass diese zur Integration beiträgt. In Fällen, in denen der Ort der Beschäftigung vom beabsichtigten Wohnort abweicht, ist die Anfrage ausschließlich an die für den künftigen Wohnort zuständige Ausländerbehörde zu richten.

Bei Zweifeln ist durch die Ausländerbehörde jeweils darzulegen, dass es sich nicht um ein nachhaltiges bzw. ernsthaftes Beschäftigungsverhältnis handelt. Für die Frage, wann ein Beschäftigungsverhältnis ein solches erforderliches Mindestmaß an Stetigkeit aufweist, ist eine Prognoseentscheidung erforderlich. Im Rahmen einer Prognoseentscheidung reicht es aus, wenn das Arbeitsverhältnis voraussichtlich über 3 Monate andauern wird. Eine Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres, die auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus begrenzt ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird, ist – unabhängig von der Höhe des Einkommens – nur eine geringfügige und damit keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (vgl. Anwendungshinweise des Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu § 12a). Die Ausländerbehörde kann auch dann an der Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit des Beschäftigungsverhältnisses zweifeln, wenn der Ort der Beschäftigung vom beabsichtigten Wohnort soweit abweicht, dass ein Pendeln über zwei oder mehr (Bundes-)Ländergrenzen erforderlich wird und das beabsichtigte Beschäftigungsverhältnis faktisch nicht voll ausgeübt werden kann. Eine Beschäftigung in Brandenburg bei gleichzeitiger Wohnsitznahme in Berlin bietet für sich genommen keine Zweifel an der Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit. [...]

Ist die Wohnsitzzuweisung nachträglich entfallen, lebt diese bei sich in der Folge ändernder Beschäftigungs-/Ausbildungs- oder Studienverhältnisse nicht wieder auf. [...]

Merke: Die Absätze 2 bis 4 haben für Berlin als Stadtstaat insoweit keine Relevanz, als sie nicht länderübergreifend wirken und für Berlin keine Verpflichtungen für bestimmte Bezirke verfügt werden [...].

Die Vorschrift ermöglicht die nachträgliche Anpassung einer Verpflichtung zur Wohnsitznahme und regelt, unter welchen Voraussetzungen eine bereits bestehende Wohnsitzbeschränkung gestrichen werden kann.

Merke: Die Entscheidung über die Aufhebung einer Wohnsitzzuweisung nach Abs. 5 erfolgt wie in den Fällen des Abs. 1 S. 2 nur unter Beteiligung der für den Zuzugsort zuständigen Ausländerbehörde, wenn und soweit ein länderübergreifender Zusammenhang besteht.

Örtlich zuständig für eine Einzelfallentscheidung nach Abs. 5 ist ausschließlich die Ausländerbehörde, in deren Zuständigkeit der Ausländer für die Dauer des Asylverfahrens zugewiesen wurde ("Wegzugs-ABH"). Eine Aufhebung darf allerdings ggf. nur nach vorheriger Zustimmung der für den Zuzugsort örtlich zuständigen Ausländerbehörde ergehen. Diese ist schriftlich um Zustimmung zu bitten.

Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die für den Zuzugsort zuständige Ausländerbehörde nicht innerhalb von 14 Tagen ab Eingang der Anfrage die Zustimmung erteilt. Bei Postversand beginnt die Frist 3 Tage nach Absendung der Anfrage durch die Wegzugs-ABH. Analog § 31 AufenthV kann die Schweigefrist innerhalb dieses Zeitraums unterbrochen werden. Zur Unterbrechung ist das hierfür vorgesehene Formular zu verwenden. [...]

AufenthG § 12a Abs. 5 Nr. 2 schafft eine Möglichkeit zur Änderung der Wohnsitzauflage in Härtefällen.

Unter einer unbilligen Härte sind Beeinträchtigungen persönlicher Belange zu verstehen, die im Vergleich zu den von den betroffenen öffentlichen Interessen und im Hinblick auf den vom Gesetz vorausgesetzten Zweck der Aufenthaltsbeschränkung als unangemessen schwer anzusehen sind. Ein Härtefall ist insbesondere bei besonders schutzbedürftigen Gruppen anzunehmen, wenn die bestehende Verpflichtung zur Wohnsitznahme dem Wohl der sozialen Entwicklung, Erwägungen der Sicherheit und Gefahrenabwehr oder den besonderen Bedürfnissen insbesondere von Kindern und Jugendlichen zuwiderläuft.

Wie dem Wortlaut zu entnehmen ist ("insbesondere"), ist die Aufzählung in den Buchstaben a) bis c) nicht abschließend. Bei dem Begriff der Härte handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. [...]

Merke: Personen, denen in den Fällen des § 12a Abs. 7 seit dem 01.01.2016 ein positiver Asylbescheid zugestellt wurde oder die seit dem 01.01.2016 erstmalig einen der in § 12a Abs. 1 S. 1 genannten Titel erhalten haben und aufgrund der Rechtslage vor dem 06.08.2016 (Datum des Inkrafttretens des IntG) bereits ohne entsprechende Wohnsitzauflage ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin genommen haben, ist es ausnahmslos nicht zuzumuten, nunmehr wieder in den Ort der Erstzuweisung zurückzukehren. Da die Betroffenen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes keine Hinweise auf die Wohnsitzregelung in ihren Titeln hatten, ist in diesen Fällen seitens der Berliner Ausländerbehörde nichts zu veranlassen. Insbesondere erhalten die Betroffenen grundsätzlich keine schriftlichen Bescheinigungen über eine nicht bestehende Wohnsitzzuweisung.Für diesen Personenkreis ist – als Ausnahme zu dem unter A.12a.1.2 und A.12a.5. dargestellten Grundsatz – die ABH Berlin örtlich zuständig. Da den Betroffenen ein Rückumzug an den Ort der Erstzuweisung nicht zuzumuten ist und auf eine rückwirkende Anwendung verzichtet wird, ist es nur folgerichtig, die örtliche Zuständigkeit für diese Personengruppe in Berlin zu begründen.

Anders verhält es sich allerdings bei Personen, die zum 06.08.2016 (Datum des Inkrafttretens des IntG) noch nicht umgezogen sind, weil diese sich nicht auf Aspekte des Vertrauensschutzes berufen können. Diese sind bei Vorsprache und/oder Anträgen gem. § 12a Abs. 5 an die örtlich zuständigen Ausländerbehörden zu verweisen. [...]

Im Fall des Streichens der Wohnsitzregelung gem. Abs. 5 S. 1 ist zu prüfen, ob eine Nebenbestimmung nach Abs. 3 oder Abs. 4 in Betracht kommt. Die Vorschriften sind zugunsten der Betroffenen auszulegen. [...]