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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 13.09.2018 - V ZB 145/17 - asyl.net: M26816
https://www.asyl.net/rsdb/M26816
Leitsatz:

Zum Einverständnis der Staatsanwaltschaft bei mehreren Ermittlungsverfahren:

1. Aus dem Haftantrag muss hervorgehen, wann eine Abschiebungsandrohung ergangen ist und ob diese der betroffenen Person in einer für sie verständlichen Sprache übermittelt wurde.

2. Die Ausführung im Haftantrag, dass eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, genügt nicht dem Begründungserfordernis bezüglich der Haftdauer.

3. Beim Vorliegen mehrerer Ermittlungsverfahren muss angegeben werden, in welchen Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft das Einverständnis mit der Abschiebung erteilt hat.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, Abschiebung, Übersetzung, Haftantrag, Haftdauer,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4, AufentG § 62 Abs. 1 S. 2, AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1,
Auszüge:

[...]

8 aa) Zutreffend ist allerdings die Rüge des Betroffenen, dass die Angabe in dem schriftlichen Antrag der Behörde, die Sperrwirkung der Abschiebung sei befristet worden, keine hinreichende Darlegung des Vorliegens einer Abschiebungsandrohung enthält, weil weder mitgeteilt wird, wann eine solche ergangen ist, noch dass und wann die Entscheidung dem Betroffenen in einer für ihn verständlichen Sprache übermittelt wurde. Fehlt es an dem Vortrag der Behörde, dass eine Abschiebungsandrohung entweder bereits ergangen ist oder aber wegen Vorliegens einer anderen Rückkehrentscheidung ausnahmsweise entbehrlich ist, liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Begründungszwang vor, der zur Unzulässigkeit des Haftantrags führt (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juli 2016 - V ZB 32/15, InfAuslR 2016, 432 Rn. 10 mwN).

9 bb) Zutreffend ist weiter, dass der schriftliche Haftantrag nicht die nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG gebotenen Darlegungen zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung enthält. Es heißt hierin lediglich, eine Abschiebung nach Algerien sei nach Rücksprache mit der Zentralen Ausländerbehörde innerhalb von 3 Monaten "möglich". Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; näher Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10) unzureichend. Die Angabe, innerhalb welchen Zeitraums die Abschiebung "möglich" ist, beschreibt nur die zu erwartende Höchstdauer, enthält aber nicht die gebotene Darlegung, mit welchem Zeitraum im konkreten Fall des Betroffenen nach Einschätzung der Behörde zu rechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Mai 2018 - V ZB 92/16, juris Rn. 6). [...]

14 b) Der Haftantrag ist aber deshalb unzulässig, weil es an hinreichenden Angaben zum Vorliegen des staatsanwaltschaftlichen Einvernehmens mit der Abschiebung des Betroffenen fehlt.

15 aa) Der Haftantrag muss nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Ausführungen dazu enthalten, ob das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliegt, wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist. Ohne dieses darf Sicherungshaft nicht angeordnet werden; dass das Einvernehmen später hergestellt werden könnte, ist unerheblich. Das Fehlen entsprechender Ausführungen führt zur Unzulässigkeit des Antrags (vgl. nur Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 7; Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9; Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 61/11, juris Rn. 5; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 70/13, juris Rn. 6). Die Angabe zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft soll den Betroffenen darüber informieren, woraus die antragstellende Behörde die Zustimmung der Staatsanwaltschaft entnimmt. Wenn sich aus dem Haftantrag oder den beigefügten Unterlagen ergibt, dass gegen den Betroffenen nicht offensichtlich zustimmungsfreie Strafverfahren anhängig sind, muss daher mitgeteilt werden, welche Staatsanwaltschaft für welches Verfahren das - ggf. auch generelle - Einvernehmen erteilt hat bzw. aufgrund welcher Überlegungen ein Einvernehmen entbehrlich ist. Andernfalls kann der Betroffene nicht überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 72 Abs. 4 AufenthG vorliegen. Ob die Behörde die hiernach erforderlichen Angaben in dem Text des Haftantrags aufführt oder aber auf dem Antrag beigefügte, aussagekräftige Anlagen verweist, bleibt ihr überlassen (zum Ganzen Senat, Beschluss vom 9. Februar 2017 - V ZB 129/16, juris Rn. 6). [...]