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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 13.09.2018 - V ZB 231/17 - asyl.net: M26846
https://www.asyl.net/rsdb/M26846
Leitsatz:

Zum Einvernehmen der Staatsanwaltschaft bei Abschiebungshaft:

"Auch bei einem nach § 154 f StPO eingestellten Verfahren bedarf es des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebung, Abschiebungshaft, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, Einstellung,
Normen: StPO § 154 f, AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1,
Auszüge:

[...]

4 1. Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - von den Ausnahmen gemäß § 72 Abs. 4 Satz 3 bis 5 AufenthG abgesehen - nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlt das Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus (Senat, Beschluss vom 27. September 2017 - V ZB 26/17, juris Rn. 4 mwN).

5 2. Ob § 72 Abs. 4 Satz 1 FamFG einer Abschiebung des Betroffenen entgegenstand, haben der Haftrichter und das Beschwerdegericht nur unzureichend geprüft. Die Haftanordnung verhält sich zur Frage des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft oder dessen Entbehrlichkeit nicht. Das Beschwerdegericht führt lediglich aus, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Notwendigkeit des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft vorliegen. Ob es sich tatsächlich so verhielt, hätten der Haftrichter und das Beschwerdegericht anhand der über den Betroffenen geführten Ausländerakte prüfen müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 8/15, juris Rn. 15). Die Prüfung hätte ergeben, dass sich - worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist - in der Ausländerakte ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 24. April 2017 befindet, in dem diese mitteilt, dass sie ein gegen den Betroffenen wegen Diebstahls geführtes Ermittlungsverfahren nach § 154f StPO eingestellt habe. Auch ein nach dieser Vorschrift eingestelltes Verfahren ist von dem Zustimmungserfordernis nach § 172 Abs. 4 FamFG erfasst. Bei der Einstellung nach § 154f StPO handelt es sich um eine nur vorläufige Einstellung des Verfahrens vor Erhebung der öffentlichen Klage wegen längerer Abwesenheit des Beschuldigten oder eines anderen in seiner Person liegenden Hindernisses. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind lediglich unterbrochen und werden bei Wegfall des Hindernisses fortgesetzt (vgl. KK-StPO/Diemer, StPO, 7. Aufl., § 154f Rn. 1). Angesichts des nur vorläufigen Charakters bedarf es daher auch bei einem nach § 154f StPO eingestellten Verfahren für eine Abschiebung des Betroffenen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft (vgl. NK-AuslR/R. Hofmann, AufenthG, 2. Aufl., § 72 Rn. 34), es sei denn, es liegt eine Ausnahme gemäß § 72 Abs. 4 Satz 3 bis 5 AufenthG vor. [...]