LG Duisburg

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Zitieren als:
LG Duisburg, Beschluss vom 24.04.2018 - 12 T 59/18 - asyl.net: M26877
https://www.asyl.net/rsdb/M26877
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft einer minderjährigen Person:

1. Minderjährige dürfen nach § 62 Abs. 1 S. 3 AufenthG nur in Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist. Die Haftanordnung ist unrechtmäßig, da die haftbeantragende Ausländerbehörde mildere Maßnahmen nicht geprüft und einen besonderen Ausnahmefall nicht begründet hat.

2. Die Dauer einer angeordneten Abschiebungshaft ist nicht gerechtfertigt, wenn die Behörde nicht darlegt, weshalb sie nicht früher mit Beschaffung von Passersatzpapieren begonnen hat. 

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, minderjährig, unbegleitete Minderjährige, Abschiebung, Pass, Passbeschaffung, Passersatz, Dauer, Kindeswohl, milderes Mittel,
Normen: AufenthG § 62 Abs. 1 S. 3, AufenthG § 62 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[...]

Die Aufhebung ist vorliegend bereits deshalb angezeigt, da der Betroffene noch minderjährig ist. Dies steht aufgrund der vom Betroffenen zur Akte gereichten algerischen Geburtsurkunde zur Überzeugung des Gerichts fest. Diese weist als Geburtsdatum des Betroffenen den ... 2001 aus.

Minderjährige dürfen nach § 61 Satz 3 AufenthG aber nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange In Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist. Zudem darf die Haft bei Minderjährigen nur im äußersten Fall und für die kürzestmögliche Dauer angeordnet werden (§ 62 1 Satz 1 und 2 AufenthG).

Minderjährige müssen vielmehr grundsätzlich so weit wie möglich in Einrichtungen untergebracht werden, die personell und materiell zur Berücksichtigung ihrer altersgemäßen Bedürfnisse in der Lage sind (vgl. BGH NVwZ 2012, 775). Denn Minderjährige werden von der Vollziehung der Haftanordnung erheblich betroffen und können hierdurch dauerhafte psychische Schäden davontragen.

Vorliegend hat die Ausländerbehörde - obwohl der Betroffene im anwaltlichen Schriftsatz vom 17. April 2018, welcher dem Antragsteller zur Stellungnahme zugeleitet wurde, auf seine Minderjährigkeit verwiesen hatte - nicht dargelegt, dass sie andere Möglichkeiten der sichernden Unterbringung des minderjährigen Betroffenen konkret geprüft hat und mildere Maßnahmen nicht zur Verfügung hat. Dass ein besonderer Ausnahmefall zu bejahen sein könnte, hat die Behörde auch nicht dargelegt. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.

In einem derartigen Fall ist eine Verhängung von Abschiebungshaft unzulässig (vgl. OLG Köln FamRZ 2003, 1475). [...]