Kein Beschäftigungsverbot wenn die Mitwirkungspflichtverletzung bei der Passbeschaffung nicht der Grund für die fortgesetzte Duldung ist, z.B. weil die betroffene Person mit einem deutschen Ehepartner und einem deutschen Kind zusammenlebt.
(Leitsätze der Redaktion)
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Selbst wenn der Antragsteller durch nicht ausreichende Mitwirkung an der Passbeschaffung zu verantworten hat, dass er nicht über einen gültigen libanesischen Pass oder ein gültiges libanesisches Passersatzpapier verfügt, wäre diese Verletzung der Passbeschaffungspflicht durch den Antragsteller nicht allein ursächlich dafür, dass er nicht abgeschoben werden kann. Der Antragsteller kann zumindest auch deshalb nicht abgeschoben werden, weil seine Abschiebung voraussichtlich im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG rechtlich unmöglich ist, da sie ihn und seine Tochter ... in deren Grundrecht aus Art. 6 GG verletzen würde. Die Abschiebung des Antragstellers würde eine bestehende familiäre Lebensgemeinschaft auseinanderreißen.
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Eine rechtliche Unmöglichkeit in diesem Sinne kann sich auch aus einfachem Gesetz oder aus Verfassungsrecht ergeben.
Nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Belange können einer (zwangsweisen) Beendigung des Aufenthalts des Ausländers zum einen dann entgegenstehen, wenn ein erwachsenes Familienmitglied zwingend auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. Kann der Beistand nur in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -; juris Rn 17; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2010, 8 ME 2/10 - juris Rn 6; Beschluss vom 11. Juli 2014 - 13 LB 153/13 - Rn. 50). Entscheidend ist dabei darauf abzustellen, ob über die bloße formal-rechtliche familiäre Bindung eine tatsächlich bestehende familiäre Lebensgemeinschaft besteht (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Januar 2010, a.a.O. Rn. 20). Dabei kann es auch ausreichen, dass im Rahmen der familiären Lebensgemeinschaft nur reine Umgangskontakte bestehen, der den Umgang wahrnehmende also nur ausschnittsweise am Leben seiner Kinder teilnehmen und alltägliche Erziehungsentscheidungen nicht oder nur sehr eingeschränkt treffen kann. Gerade die Ausübung eines Besuchsrechts kann die Erfüllung der Elternfunktion im Sinne des Art. 6 Grundgesetz bedeuten (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2009 - 2 ME 331/09 juris Rn. 4 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - z. BvR 1830/08 - juris Rn. 39). [...]