VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 28.11.2018 - 1 K 6228/17.TR - asyl.net: M26909
https://www.asyl.net/rsdb/M26909
Leitsatz:

Interner Schutz bei drohender Zwangsrekrutierung im Libanon/Widerlegung der Indizwirkung bei erlittener Vorverfolgung:

"1. Lässt ein Verfolger i.S.d. § 3c AsylG von einer weiteren Verfolgung ab (hier: Freilassung aus der Gefangenschaft der Hisbollah-Miliz) und hält sich der Betroffene auch weiterhin in dessen Einflussgebiet auf, ohne dass es dort während eines längeren Zeitraums erneut zu flüchtlingsrelevanten Übergriffen kommt, muss die Indizwirkung einer erlittenen Vorverfolgung i.S.d. Art. 4 Abs. 4 Halbsatz 2 der Richtlinie 2011/95/EU als widerlegt angesehen werden.

2. Gegenwärtig bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Hisbollah vom Instrument der Zwangsrekrutierung Gebrauch machen würde. Die Organisation versucht vielmehr diejenigen Personen zu rekrutieren, welche sich mit der Ideologie der Hisbollah vollständig identifizieren.

3. Im Libanon besteht für libanesische Staatsangehörige regelmäßig die Möglichkeit, eine inländische Schutzalternative (§ 3e AsylG - auch i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG) in Anspruch zu nehmen, sollten sie von einem Akteur i.S.d. § 3c Nr. 2 oder Nr. 3 AsylG (auch i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG) verfolgt. werden. Es handelt sich um ein Spezifikum des Libanon, dass dort eine religiös - und damit zusammenhängend auch eine politisch - sehr heterogene Besiedlungsstruktur gegeben ist, was die Erreichbarkeit inländischen Schutzes stark begünstigt.

4. Die allgemeine Sicherheitslage im Libanon ist derzeit als stabil zu beurteilen. Sie erreicht jedenfalls nicht die Gefahrenschwelle, wie sie von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorausgesetzt wird.

5. Das bloße Vorliegen einer Gefahrenlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG genügt nicht, um hieraus einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes abzuleiten. Es bedarf insoweit zwingend auch eines tauglichen Akteurs i.S.d. § 3c AsylG.

6. Die generelle humanitäre Situation im Libanon erreicht derzeit nicht die Gefahrenschwelle des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Libanon, Hisbollah, Zwangsrekrutierung, nichtstaatliche Verfolgung, subsidiärer Schutz, humanitäre Gründe, Abschiebungsverbot, Vorverfolgung, interne Fluchtalternative, Existenzgrundlage,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 4, RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

29 aa. So gab der Kläger im Rahmen des Asylverfahrens und auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung an, dass er nach einer achtmonatigen Inhaftierung durch die Hisbollah freigelassen worden sei. Damit brachte dieser Akteur mittelbar zum Ausdruck, dass er kein fortdauerndes, flüchtlingsrelevantes Verfolgungsinteresse an der Person des Klägers mehr hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Freilassung des Klägers nicht im Zusammenhang mit wie auch immer gearteten Gegenleistungen – etwa in der Gestalt eines Lösegeldes – stand, sondern aus einem augenscheinlich freien Entschluss der Verantwortlichen heraus erfolgte.

30 bb. Hinzu kommt, dass sich der Kläger nach seiner Freilassung auch weiterhin im Einflussgebiet der Hisbollah aufhielt, durch diese aber nicht mehr in flüchtlingsrelevanter Weise verfolgt worden ist. Soweit der Kläger hierzu ausführte, dass er auch weiterhin durch die Hisbollah angegangen worden sei, erschöpften sich diese Vorkommnisse nach dessen Angaben darin, dass man ihm zu verstehen gegeben habe, dass er nicht länger erwünscht sei und dass man ihm (weiterhin) unterstellt habe, mit Waffen bzw. Drogen zu handeln bzw. die sog. Al Nusra-Front zu unterstützen. Hierin lag jedoch im Gegensatz zu den vorausgegangenen Ereignissen bereits keine Handlung begründet, welche erneut die Erheblichkeitsschwelle des § 3a Abs. 1 AsylG erreicht hätte.

31 cc. Nach der gegenwärtigen Erkenntnismittellage kann – wovon auch die Klägerbevollmächtigte im Rahmen des durchgeführten Rechtsgesprächs überzeugt war – zudem davon ausgegangen werden, dass die Hisbollah über eine zumindest beachtliche Präsenz am internationalen Flughafen von Beirut verfügt (vgl.: Washington Times, Bericht vom 15.06.2018 – Beirut airport a smuggling point for Hezbollah, abzurufen unter: www.washingtontimes.com/news/2018/jun/15/ pro-iranian-hezbollah-uses-beirut-airport-smugglin/, zuletzt abgerufen am 29.11.2018), die – zumindest Zeitweise – einer Kontrolle desselben gleichkommt (vgl.: WELT, Artikel vom 08.05.2008 – Blockade des Flughafens von Beirut eskaliert, abzurufen unter: www.welt.de/politik/article1978124/Blockade-des-Flughafens-von-Beirut-eskaliert.html, zuletzt abgerufen am 29.11.2018). Dass es dem Kläger möglich gewesen ist, über diesen Flughafen auszureisen, ohne dass es erneut zu Schwierigkeiten mit Hisbollah – Milizionären gekommen ist, spricht ebenfalls – zumindest indiziell – gegen ein fortbestehendes Interesse der Hisbollah an der Person des Klägers.

32 dd. Hinzu kommt schließlich auch, dass sich die militärische Situation der syrischen Regierungsstreitkräfte und der sie unterstützenden Hisbollah nunmehr gänzlich anders darstellt, als dies noch im Zeitraum 2011/2012 der Fall gewesen ist. Auch dank der Unterstützung der Russischen Föderation ist es zwischenzeitlich gelungen, weite Teile des Landes von der dortigen Bürgerkriegsopposition zurückzuerobern. Nennenswerte Kampfhandlungen finden derzeit lediglich noch im nordwestlichen Landesteil rund um Idlib und Afrin, sowie eingeschränkt auch im südlichen Euphrat - Tal statt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asylund abschiebungsrelevante Lage in Syrien vom 13.11.2018, Gz.: 508-516.80/3 SYR, S. 22). Aufgrund dessen kann aktuell nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Hisbollah einen derart großen Bedarf an Kämpfern hätte, den sie nicht durch Freiwillige zu decken imstande wäre. [...]

39 b. Ungeachtet des Vorstehenden stünde dem Kläger jedenfalls eine inländische Schutzalternative (§ 3e AsylG) dergestalt zur Seite, dass er sich in einen Landesteil zurückzöge, der nicht unter der Kontrolle der Hisbollah steht. Unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittellage und der individuellen Fallumstände (§ 3e Abs. 2 AsylG) besteht im Libanon eine entsprechende Schutzalternative (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG; nachfolgend aa.), die der Kläger zudem sicher und legal erreichen, sowie auch sonst zumutbar in Anspruch nehmen kann (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG; nachfolgend bb.). Soweit der Kläger bereits im Rahmen seiner Anhörung durch die Beklagte geäußert hat, dass er in keinem anderen Landesteil Schutz suchen könne, ist diese Behauptung im Ergebnis aufgrund der festgestellten Diskrepanz zu der allgemeinen Erkenntnismittellage als insgesamt unglaubhaft und damit als widerlegt einzustufen (Art. 4 Abs. 5 lit. c) der Richtlinie 2011/95/EU):

40 aa. Es handelt sich um ein auffallendes Spezifikum des Libanon, dass dort eine religiös – und damit zusammenhängend auch eine politisch – sehr heterogene Besiedlungsstruktur gegeben ist. Während die Schiiten (und die Hisbollah) vor allem den südlichen Landesteil einschließlich der südlichen Vororte Beiruts dominieren, ist der Norden des Landes im Großraum Tripoli sunnitisch dominiert. Beträchtliche Landesteile, vor allem der Küstenabschnitt zwischen Beirut und Tripoli, sowie das Gebiet rund um den Mont Liban werden zudem überwiegend von Christen bevölkert (vgl. hierzu u.a. die Übersichtskarte "Lebanon religious group distribution", abrufbar unter: de.wikipedia.org/wiki/Libanonhttps://de.wikipedia.org/wiki/Libanon#/media/File:Lebanon_religious_groups/media/File:Lebanon_religious_groups _distribution.jpg, zuletzt abgerufen am 29.11.2018).

41 Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes kann einer Verfolgung nichtstaatlicher Akteure daher in der Regel durch eine Verlagerung des Wohnortes außerhalb des jeweiligen Verfolger-Einflussbereichs entgangen werden. So sei der Einfluss der Hisbollah insbesondere im christlichen Kerngebiet des Mont Liban oder im sunnitischen Tripoli sehr gering (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libanon [Stand: Dezember 2017], Gz.: 508-516.80/3 LBN vom 01.03.2018, S. 18). [...]

59 a. Die allgemeine Sicherheitslage im Libanon erreicht nicht die Schwelle, wie sie für die Annahme des Bestehens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlich wäre. Für die Beurteilung dieser Gefahrenlage hat das Gericht auch hier auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ist für die maßgebliche Region eine individuelle Bedrohung entweder wegen gefahrerhöhender individueller Umstände oder ausnahmsweise wegen eines besonders hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen eines bewaffneten Konflikts anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob der Kläger in anderen Teilen des Libanon, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz finden kann (vgl.: BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 – 10 C 9.08 – juris).

60 aa. Der jeweils drohende Grad der Gewalt ist dabei anhand einer wertenden Gesamtschau der regional spezifischen Konfliktdeterminanten einzuschätzen. Hierunter fallen sowohl qualitative als auch quantitative Faktoren: In der europaweiten Rechtsprechung hat sich – auch maßgeblich auf die Judikatur des EGMR gestützt (vgl. insbesondere: EGMR, Urteile vom 05.09.2013 [K.A.B. v. Schweden] – Rs. 886/11 – und vom 28.06.2011 [Sufi and Elmi v. United Kingdom] – Rs. 8319/07 und 11449/07 –) – eine recht umfassende Betrachtungsweise durchgesetzt, die folgende Faktoren mit einbezieht: (1) Die "Sufi und Elmi – Kriterien" des EGMR (die Konfliktparteien und ihre relative militärische Stärke; die angewandten Methoden und Taktiken der Kriegsführung – hier insbesondere die Gefahr von Opfern in der Zivilbevölkerung –; die Art der eingesetzten Waffen; den geografischen Umfang der Kampfhandlungen und die Zahl der infolge der Kämpfe getöteten, verletzten und vertriebenen Zivilpersonen); (2) die Fähigkeit oder Unfähigkeit des Staates, seine Bürger gegen Gewalt zu schützen bzw. das Ausmaß des Staatsversagens; (3) die sozioökonomischen Bedingungen und (4) die kumulativen Effekte lang andauernder bewaffneter Konflikte.

61 bb. Die Gefahr eines ernsthaften Schadens im vorgenannten Sinne besteht – hier ungeachtet der Frage nach einer innerstaatlichen Schutzalternative – im gesamten Libanon nicht. Zwar werden die zahlreichen innenpolitischen Konflikte des Landes mitunter auch gewaltsam ausgetragen; die gegenwärtige Situation erreicht jedoch in der anzustellenden Gesamtschau aller aktuellen Erkenntnismittel (Art. 4 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2011/95/EU) nicht einen solchen Schweregrad, der es unter Anwendung des vorgenannten "Sliding Scale"-Maßstabs unter gleichzeitiger Einbeziehung der spezifischen Kriterien zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG rechtfertigen würde, eine beachtliche Rückkehrgefährdung des Klägers aus diesen Gründen anzunehmen. So führt das Auswärtige Amt in seinem jüngsten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 01.03.2018 (Stand: Dezember 2017; GZ: 508-516.80/3 LBN) etwa aus:

62,63 "Die allgemeine Sicherheitslage gibt vielen Libanesen Anlass zu Besorgnis: Sie fürchten ein Übergreifen des Konflikts in Syrien. Zwar bleibt die Sicherheitslage im Großen und Ganzen stabil. Es kommt jedoch immer wieder zu Sicherheitsvorfällen seit Beginn der Auseinandersetzungen in Syrien. Alle terroristischen Gruppen im Libanon stehen unter einem hohen Verfolgungsdruck der Sicherheitskräfte. Dass dennoch weiter mit Attentaten gerechnet werden muss, zeigen die Erfolge der Sicherheitsbehörden, die regelmäßig Terrorzellen ausheben." (AA, a.a.O., S. 8).

64 In einer einleitenden Betrachtung ergibt sich so eine zwar fragile, aber dennoch ausreichend stabile Gesamtlage, die denkbar weit von einer Gefahrenlage im vorgenannten Sinne entfernt ist. So spricht auch der Bericht des U.N. Generalsekretärs an den U.N. Sicherheitsrat vom 08.03.2018 über die Durchführung der Resolution (UN) 1701 (2006) (U.N. Security Council, Implementation of Security Council Resolution 1701 (2006), Report of the Secretary-General, Zeitraum 07.11.2017 - 28.02.2018, abrufbar unter: digitallibrary.un.org/record/1477500/files/S_2018_210-EN.pdf, zuletzt abgerufen am 03.12.2018) von einer entsprechenden Lage (S. 13 ff.). [...]

85 b. Dem Kläger droht schließlich auch nicht deshalb eine ernsthafte Gefahr im Normsinne, weil die humanitären Bedingungen im Libanon eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder eine wesensgleiche Gefahr darstellen würden. [...]

87 Ungeachtet der Frage nach den derzeitigen humanitären Verhältnissen im Libanon (vgl. hierzu unten III.), scheidet die Zuerkennung des subsidiären Schutzes aus diesem Grund bereits aufgrund eines nicht ersichtlichen Akteurs aus, auf dessen zurechenbarem Verhalten eine entsprechende Gefahrenlage überhaupt zurückgehen könnte. [...]

91 Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf der Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zwar nicht von Akteuren im Sinne des § 4 Abs. 3 in Verbindung mit § 3c AsylG ausgeht, aber dennoch wegen der im Zielstaat herrschenden Zustände tatsächlich droht, sowie im Übrigen dann nicht, wenn sonst eine EMRK – widrige Behandlung zu befürchten steht. Im letztgenannten Fall müssen die von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien jedoch in ihrem Kern bedroht, das heißt nach ihrer Schwere mit dem vergleichbar sein, was wegen einer menschenunwürdigen Behandlung zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK führen würde. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

92 Entsprechende Anhaltspunkte für einen hier allein infrage kommenden Fall des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind indes nicht ersichtlich. Zur Grundversorgung führt das Auswärtige Amt etwa aus: 93,94 "Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist u.a. über Nothilfemaßnahmen des Sozialministeriums gewährleistet. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung, insbesondere im Nord-Libanon (Akkar-Gebiet) und in der nördlichen Bekaa-Ebene (insb. Hermel-Gebiet) sowie in Süd-Libanon, lebt unterhalb der Armutsgrenze. Insgesamt lebten 2015 nach Angaben von UNDP 28,5% der Bevölkerung mit weniger als 4 US-Dollar pro Tag. Die Arbeitslosenrate liegt bei ca. 30%. Darüber hinausgehende belastbare Zahlen liegen mangels Zensus und politisch nicht erwünschter Statistik zu den Bevölkerungsanteilen nicht vor, doch dürfte sich die Situation aufgrund des starken Zuzugs syrischer Flüchtlinge weiter verschlechtern. Bedürftige Personen können nur sehr eingeschränkt auf staatliche Unterstützung zählen, es existieren weder eine allgemeine Arbeitslosen- noch eine Rentenversicherung (nur eine arbeitsrechtliche Austrittsprämie, die mit Blick auf die Arbeitsjahre berechnet wird). Wesentliches Element sozialer Sicherung ist die Familie, daneben karitative und religiöse Einrichtungen (immer nur für die jeweilige Religionsgruppe). Es gibt keine speziellen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer." (AA, a.a.O., S. 22).

95 Bereits aufgrund der skizzierten soliden finanziellen Basis des Klägers kann es als ausgeschlossen angesehen werden, dass er – einschließlich seiner Familie – im Falle der Rückkehr in sein Heimatland einer Situation ausgesetzt wäre, welche dessen elementare Grundversorgung beachtlich infrage stellen würde. Gleiches gilt im Hinblick auf die medizinische Versorgung. Hierzu das Auswärtige Amt:

96 "Libanon ist – bei leichten regionalen Unterschieden – ein Land mit relativ guter medizinischer Versorgung. Die Ärzteschaft umfasst viele Spezialisten, die zu einem großen Teil im westlichen Ausland studiert und auch praktiziert haben. Staatliche Krankenhäuser gibt es in allen größeren Städten. Auch sehr spezielle Behandlungen (Operationen am offenen Herzen, Krebstherapien) können im Land durchgeführt werden. Die Nachversorgung kriegsbedingter Behinderungen ist möglich (inkl. Transplantationen). Lediglich Patienten mit sehr seltenen oder schweren Erkrankungen müssen zwingend ins Ausland überwiesen werden, etwa schwerste Brandverletzungen. Vereinzelt kommt es in Krankenhäusern in ärmeren Regionen (Akkar) zu zeitweiligen Überbelegungen und Engpässen. Neben privater wie staatlicher Krankenversicherung können Behandlung und Medikation für mittellose und/oder aus dem Ausland zurückkehrende Libanesen durch eine Überweisung des Gesundheitsministeriums an dessen Vertragskrankenhäuser (darunter auch renommierte Kliniken wie das American University Hospital oder das Hôtel Dieu in Beirut) und Vertragsärzte erfolgen. Die Vertragskrankenhäuser des Gesundheitsministeriums sind verpflichtet, vom Gesundheitsministerium zugewiesene Patienten im Rahmen einer monatlichen Quote aufzunehmen. Sie wehren sich gelegentlich – soweit diese Quote überschritten wird oder besonders "teure" Fälle darunter sind – mit juristischen oder bürokratischen Maßnahmen gegen die Überweisung oder versuchen Einzelpersonen an eine karitative Organisation "weiterzureichen". Darüber hinaus muss der Patient bis zu 10-15% der Kosten selbst zahlen, sofern nicht seine Mittellosigkeit förmlich durch das Gesundheitsministerium festgestellt wurde. Parallel existiert ein vom Gesundheits- und Sozialministerium gefördertes Netzwerk von "Erstversorgungseinrichtungen", die häufig von Nichtregierungsorganisationen betrieben werden. Diese nehmen einfache Behandlungen (Impfungen/Gabe von Generika/Röntgen etc.) gegen eine Gebühr von ca. 5-10 US-Dollar vor.

97,98 Rückkehrer können grundsätzlich auch eine – allerdings kostspielige – private Krankenversicherung abschließen. Bei UNRWA registrierte palästinensische Flüchtlinge werden grundsätzlich vom Gesundheitsdienst der UNRWA versorgt, doch deckt diese Versorgung Leistungen der Nachsorge (qualifizierte Krankenhausversorgung) nur unzureichend ab. Andere Flüchtlinge und Ausländer haben keinen Zugang zur staatlichen Krankenversorgung und müssen ihre Behandlungskosten selbst tragen oder eine private Krankenversicherung abschließen. Für ältere Personen oder bei Vorerkrankungen kann es ausgeschlossen oder prohibitiv teuer sein, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Alle international gängigen Medikamente sind in Libanon erhältlich. Die Einfuhr von Medikamenten aus Deutschland ist möglich." (AA, a.a.O., S. 22/23). [...]