LG Hannover

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Zitieren als:
LG Hannover, Beschluss vom 15.01.2019 - 8 T 39/18 - asyl.net: M26930
https://www.asyl.net/rsdb/M26930
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit der Haftanordnung wegen fehlender Ladung der Anwältin des Betroffenen: 

1. Die Anordnung der Abschiebungshaft ist rechtswidrig, wenn  die verfahrensbevollmächtigte Person nicht zur Anhörung geladen wird. Der Umstand, dass diese auf einen früheren Brief der Ausländerbehörde nicht reagierte, lässt nicht schon den Schluss der Mandatsniederlegung zu. 

2. Der Umstand, dass die Ladung und Anhörung an einem Feiertag (hier: Karfreitag) stattfindet und die verfahrensbevollmächtigte Person nicht erreichbar gewesen wäre, ändert nichts an der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, sondern hätte vielmehr zur Folge, dass allenfalls eine einstweilige Haftanordnung erlassen und anschließend eine Anhörung ordnungsgemäß nachzuholen gewesen wäre.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftbeschluss, Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwalt, Anhörung, Feiertag, Terminsladung, Verfahrensbevollmächtigte, Ladung,
Normen: AufenthG § 62, FamFG § 58, FamFG § 427,
Auszüge:

[...]

Die Haftanordnung verstößt gegen das Gebot des fairen Verfahrens, da der damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen nicht die Möglichkeit eingeräumt worden ist, an dem Termin zur Anhörung des Betroffenen teilzunehmen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuziehen (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. Beschl. v. 13.07.2017, V ZB 89/16, juris, Rn. 5 m.w.N.).

Die Möglichkeit, rechtlichen Rat einzuholen, ist dem Betroffenen nicht eingeräumt worden. Die gerichtliche Akte enthält keine Verfügung, wonach die Verfahrensbevollmächtigte über die Durchführung des Anhörungstermins unterrichtet worden ist. Ausweislich des Anhörungsprotokolls vom 30.03.2018 ist die Vertretung durch Rechtsanwältin im Rahmen der Anhörung auch nicht thematisiert worden. Die Frage einer Interessenvertretung durch die bisherige Verfahrensbevollmächtigte hätte jedoch geklärt werden müssen. Aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde ging hervor, dass sich der Betroffene gegenüber der Ausländerbehörde anwaltlich vertreten ließ. Anhand der Ausländerakte kann nachvollzogen werden, dass der Betroffene Frau Rechtsanwältin ... ausweislich der dem anwaltlichen Schreiben vom 11.08.2017 beigefügten Vollmacht zur Vertretung in ausländerrechtlichen Angelegenheiten beauftragt hatte. Der Umstand, dass Rechtsanwältin ... auf die Nachricht der Ausländerbehörde vom 18.09.2017 (Bl. 174 Ausländerakte) nicht reagiert hatte, ließ den Rückschluss auf eine Mandatsniederlegung nicht zu, da die Verfahrensbevollmächtigte nicht zu einer Stellungnahme aufgefordert worden war. Auch der Zeitablauf seit der Mandatierung ist nicht derart lang, dass davon ausgegangen werden konnte, der Betroffene wolle die Beratung seiner Rechtsanwältin nicht mehr beanspruchen. Noch anlässlich seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 29.03.2018 äußerte der Betroffene, er sei nur bereit, nach vorheriger Befragung seines Verteidigers auszusagen. Aus der Stellungnahme von Frau Rechtsanwältin ... vom 01.06.2018 geht zudem hervor, dass der Betroffene am 04.04.2018 einen Termin bei ihr gehabt hätte.

Soweit die beteiligte Ausländerbehörde darauf hingewiesen hat, dass Ladung und Anhörung am Karfreitag stattfanden und die Rechtsanwältin nicht informiert werden konnte, weil sie keine Handynummer oder Notrufnummer hinterlassen hatte, hätte nach Klärung der anwaltlichen Vertretung im Anhörungstermin vom 30.03.2018 und positiver Beantwortung durch den Betroffenen ggf. die Sicherungshaft nur im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG angeordnet werden dürfen. Eine weitere Anhörung hätte dann im Hauptsacheverfahren unter Einräumung der Möglichkeit einer Beteiligung der Rechtsanwältin anberaumt werden müssen (BGH, Beschluss vom 27. September 2018 - V ZB 96/18 -, juris). [...]