VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Beschluss vom 19.11.2018 - 2 L 1671/18.A - Asylmagazin 3/2019, S. 71 f. - asyl.net: M26966
https://www.asyl.net/rsdb/M26966
Leitsatz:

Keine Verlängerung der Überstellungsfrist durch Kirchenasyl auch nach Erlass des Bundesinnenministeriums:

1. Asylsuchende sind nicht flüchtig im Sinne der Dublin-Verordnung mit der Folge der Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate, wenn sie sich im Kirchenasyl aufgehalten haben und die Adresse dem Bundesamt und der Ausländerbehörde mitgeteilt wurde.

2. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus den seit August 2018 geltenden Verfahrenshinweisen für Kirchenasyl des BMI. Sie haben keinen Gesetzescharakter und sind für das Gericht daher unbeachtlich.

(Leitsätze der Redaktion)

Anmerkung:

Schlagwörter: Kirchenasyl, Dublinverfahren, Überstellungsfrist, flüchtig, Bundesinnenministerium, Anwendungshinweise,
Normen: VO 604/2013 Art. 29 Abs. 2 S. 2,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin dürfte der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt "flüchtig" in diesem Sinne gewesen sein. Der Antragsteller hatte sich zusammen mit seiner Mutter am 21. September 2018 in das Kirchenasyl der ...kirche ... begeben. Die genannte Kirche hatte dies sowohl dem Bundesamt als auch der Ausländerbehörde des ... Kreises per Fax an demselben Tag mitgeteilt und darüber hinaus die ladungsfähige Anschrift der Antragsteller mit "..." in ... angegeben. Damit war der Aufenthaltsort des Antragstellers sowohl dem Bundesamt als auch der zuständigen Ausländerbehörde zu jedem Zeitpunkt bekannt. Diese waren nicht gehindert, den Antragsteller zwecks Durchführung der Überstellung aufzusuchen. Wenn auch der Asylsuchende das Kirchenasyl in der Regel deshalb wählt, weil er sich der Abschiebung entziehen will, stellt der Aufenthalt im Kirchenasyl dennoch kein rechtliches oder tatsächliches Hindernis für eine Abschiebung dar. Der Staat ist weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung eines im Kirchenasyl befindlichen Ausländers durchzuführen. Es existiert kein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das Kirchenasyl gehindert wären, die Überstellung durchzuführen. Wenn der Staat dennoch bewusst darauf verzichtet, sein Recht in diesen Fällen durchzusetzen, stellt dies kein in der Sphäre des Ausländers liegendes Hindernis für den Vollzug der Überstellung dar, wie dies im Falle der Flucht mit unbekanntem Aufenthalt anzunehmen ist. Die Kammer folgt insoweit der rechtlichen Bewertung der von dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren zitierten Rechtsprechung (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 16. Mai 2018 - 20 ZB 18.50011 - , juris, m.w.N.; OVG Trier, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 7 L 5184/18.TR -, juris).

Eine andere Bewertung ist auch nicht mit Blick auf den vom Bundesamt herangezogenen Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 3. Juli 2018 über das Verfahren bei Kirchenasylmeldungen geboten. Die in diesem Erlass für das Bundesamt geregelten Vorgaben für das Kirchenasylverfahren und vor allem die Möglichkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist stellen keine gesetzlichen Vorgaben dar und sind für das Gericht daher unbeachtlich. [...]