VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 14.01.2002 - 12 TG 724/01 - asyl.net: M2697
https://www.asyl.net/rsdb/M2697
Leitsatz:

Der Aufenthalt eines mit Zustimmung der Ausländerbehörde eingereisten Ausländers gilt gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AuslG auch dann während des Verfahrens bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt, wenn der Genehmigungsantrag nach Ablauf der Geltungsdauer einer zuvor verlängerten Aufenthaltsgenehmigung gestellt worden ist.

Es ist mit der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft im aufenthaltsrechtlichen Sinne nicht unvereinbar, wenn ein Ehegatte sich um ein vorehelich geborenes nicht gemeinsames Kind kümmert und gleichzeitig ehewidrige Beziehungen zu dessen Mutter unterhält; eine eheliche Lebensgemeinschaft ist aber unter diesen Umständen dann nicht mehr gegeben, wenn der Ehegatte seinen Lebensmittelpunkt an einen anderen Ort verlegt und nur noch gelegentlich in die eheliche Wohnung und zu dem Ehepartner zurückkehrt.

Der Auffangstreitwert nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG beträgt für Verfahren, die vor dem 31. Dezember 2001 anhängig geworden sind, 4.090,34 € und für entsprechende Eilverfahren 2.045,17 €.(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Ausländer, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Fiktionswirkung, Einreise, Visum, Zustimmungsvisum, Eheliche Lebensgemeinschaft, Eigenständiges Aufenthaltsrecht, Scheinehe, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Streitwert
Normen: AuslG § 17 Abs. 1; AuslG § 19 Abs. 1; AuslG § 69 Abs. 3; AuslG § 68 Abs. 2; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

 

Das Entstehen eines fiktiven Aufenthaltsrechts aufgrund der Antragstellung vom 28. August 1996 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Antragstellerin infolge des Ablaufs der zuvor erteilten Verlängerung mangels eines sonst bestehenden Aufenthaltsrechts ausreisepflichtig war (vgl. § 42 Abs. 1 AuslG). Die Fiktionswirkung tritt nämlich bei der vorliegenden Fallgestaltung nur dann nicht ein, wenn der Ausländer ausgewiesen oder aufgrund eines sonstigen Verwaltungsakts ausreisepflichtig und nicht ausgereist ist oder nach der Ablehnung seines Antrags und vor der Ausreise einen neuen Antrag stellt (§ 69 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 AuslG). Die Ausreisepflicht der Antragstellerin beruhte auf der Beendigung der Geltungsdauer der zuvor befristet verlängerten Aufenthaltserlaubnis, nicht aber auf einem sonstigen Verwaltungsakt im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG. Zu den die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakten zählen die nachträgliche zeitliche Beschränkung, der Widerruf und die Rücknahme der Aufenthaltsgenehmigung (so auch Nr. 69.2.2.2 Satz 3 AuslG-VwV); der Eintritt der Ausreisepflicht allein aufgrund des Nichtbesitzes oder des Ablaufs einer Aufenthaltsgenehmigung fällt dagegen nicht in den Anwendungsbereich dieser Ausschlussklausel (Renner, Ausländerrecht in Deutschland, Rdnr. 8/159 m.w.N. in Fußnote 8/145). Die davon abweichenden Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (31.08.1992, a.a.O.) vermögen den beschließenden Senat nicht zu überzeugen (so auch GK-AuslR, § 69 AuslG Rdnr. 40). Insbesondere teilt der beschließende Senat nicht die Auffassung, dass es aus dem Rahmen der anderen Regelungen heraus fiele, wenn sich nicht aus der Auslegung des Begriffs des sonstigen Verwaltungsakts doch eine Befristung für den Fall der Einreise mit einem Zustimmungsvisum ergäbe; diese Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg lässt sich erkennbar mit dem gesetzgeberischen Willen nicht vereinbaren, was der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit der Bemerkung bestätigt, der historische Gesetzgeber habe mit dem weiteren Hinweis in der Einzelbegründung zu § 69 Abs. 3 AuslG, die Rechtmäßigkeitsfiktion solle auch eintreten, wenn der Ausländer nach Ablauf der Geltungsdauer die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beantrage, den Widerspruch zu seinen eigenen Motiven, vor allem aber nicht bemerkt, dass der § 69 AuslG insgesamt einen anderen systematischen und Sinnzusammenhang gegeben habe.

Nach alledem ist mit der Stellung des Verlängerungsantrags vom 28. August 1996 die Aufenthaltserlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AuslG unabhängig davon eingetreten, dass die Ausländerbehörde im Anschluss an die Antragstellung mehrmals eine Erlaubnisfiktion im Reisepass der Antragstellerin eingestempelt hat. Bei der Bescheinigung über die Duldungs- und Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 2 und 3 AuslG handelt es sich lediglich um eine deklaratorische Feststellung; eine irrtümliche Bescheinigung vermag also eine Fiktion nicht zu begründen (dazu BVerwG, 03.06.1997, a.a.O.). Da der Aufenthalt der Antragstellerin seit der Antragstellung als erlaubt galt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, ob die Ausländerbehörde von dem ihr nach § 97 AuslG eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht zu lassen (vgl. dazu allgemein Hess. VGH, 08.04.1992 - 12 TH 611/92 -, EZAR 622 Nr. 16).