VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Urteil vom 08.01.2019 - 2 K 3031/16.A - asyl.net: M27061
https://www.asyl.net/rsdb/M27061
Leitsatz:

Für die Wirksamkeit einer religiösen Eheschließung kommt es nach eritreischem Recht nicht auf die Eintragung in das Zivilregister an. Diese ist zwar vorgeschrieben, wirkt jedoch nur deklaratorisch.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Eritrea, religiöse Eheschließung, Familienflüchtlingsschutz, Familienasyl, Wirksamkeit, Eheschließung,
Normen: AsylG § 26, AsylG § 26 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin nach den Grundsätzen des Familienflüchtlingsschutzes gemäß § 26 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. [...]

Die Klägerin ist die Ehefrau des Herrn ..., dem mit Bescheid vom (Aktenzeichen ...) die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Daraus kann die Klägerin für sich einen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz herleiten. [...]

Die religiös geschlossene Ehe zwischen der Klägerin und Herrn ... ist auch wirksam. [...] Nach Art. 577 der Proklamation Nr. 2/1991 über das vorläufige Zivilgesetzbuch (VZGB) erkannte der Staat Eritrea zum Zeitpunkt der Heirat auch diejenigen Eheschließungen an, die entsprechend der Religion der Parteien oder den örtlichen Gewohnheiten erfolgten. [...]

Die allgemeinen Voraussetzungen für alle Formen der Eheschließung nach Art. 582 bis Art. 596 VZGB lagen erkennbar vor. Der Wirksamkeit der Eheschließung steht auch nicht entgegen, dass diese nach den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Zeugen ... nicht in ein Zivilregister eingetragen worden ist. Zwar ist die Registrierung der Eheschließung gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Art. 605 Abs. 3 VZGB und Art. 48 EPLF-ZGB, der hinter den Vorschriften zu den Formen der Eheschließung in das VZGB inkorporiert war). Die Einzelrichterin hat jedoch aufgrund des in das Verfahren eingeführten Erkenntnismaterials die Überzeugung gewonnen, dass eine in Eritrea religiös geschlossene [Ehe] auch ohne Eintragung in das Zivilregister wirksam ist. Die grundsätzlich vorgeschriebene Registrierung wirkt nur deklaratorisch (so auch VG Gelsenkirchen, Urt. v. 9. Juli 2018 - 1a K 902/18.A - Rn. 37, 42 juris).

Der Eritrea-Experte Günter Schröder führt in seiner Stellungnahme vom Mai 2017 unter Berufung auf Juristen aus Eritrea aus, dass bereits unter der Geltung des VZGB nach der Rechtspraxis eine Ehe von dem Moment an als gültig angesehen wurde, wenn die jeweilige Trauung abgeschlossen war und der Priester das betroffene Paar zu Mann und Frau erklärt hatte. Weder das neue ZGB noch das vormals gültige VZGB hätten die Gültigkeit der Ehe abhängig von einer Registrierung gemacht, was mit Blick auf die in der Vergangenheit bestehenden fehlenden zivilen Ämter insbesondere in ländlichen Gebieten auch nicht möglich gewesen sei (Günter Schröder, Marriage, Vital Events Registration & Issuance of Civil Status Documents in Eritrea, Mai 2017, Rn. 61, 86, 91). Nach der - in der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Verfahrens gemachten - Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 19. Juli 2018 war die Registrierung unter der Geltung des VZGB faktisch freiwillig (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Registrierung von Eheschließungen, Auskunft der SFH-Länderanalyse, 19. Juli 2018, S. 6). Alle Ehen, die vor Mai 2015 abgeschlossen sind, seien gültige Ehen, auch wenn sie nicht registriert sind. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass Art. 605 Abs. 2 VZGB über die allgemeinen Gültigkeitsvoraussetzungen für jede Form der Eheschließung nur auf die Vorschriften der Art. 582 bis 596 VZGB und damit nicht auf das Registrierungserfordernis des Art. 48 EPLF-ZGB verweist.

Die Wirksamkeit der Eheschließung hängt auch nicht von der Ausstellung einer Heiratsurkunde ab. Durch diese kann lediglich der Nachweis einer Eheschließung geführt werden (vgl. auch Art. 698 VZGB; EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 56; SFH, a.a.O., S. 6). Letztlich kann daher offen bleiben, ob die kirchliche Heiratsurkunde vorliegend tatsächlich von Zeugen unterzeichnet worden war.

Zur Überzeugung der Einzelrichterin haben die Klägerin und der Zeuge auch bereits in ihrem Heimatland in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG erfordert mit dem Merkmal des Bestands der Ehe im Verfolgerstaat, dass nicht nur die rechtsgültige Eheschließung erfolgte, sondern ferner eine eheliche Lebensgemeinschaft bereits im Verfolgerstaat gegeben war (Günther in: BeckOK AuslR, AsylG, § 26 Rn. 10). Die Klägerin und der Zeuge haben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft angegeben, dass sie nach der Eheschließung gemeinsam in einer Einzimmerwohnung gewohnt und von den Einkünften des Zeugen gelebt haben. [...]