KG Berlin

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Zitieren als:
KG Berlin, Beschluss vom 26.02.2019 - 1 W 561 - 564/17, 1 W 561/17, 1 W 562/17, 1 W 563/17, 1 W 564/17 - asyl.net: M27081
https://www.asyl.net/rsdb/M27081
Leitsatz:

Keine Anerkennung einer Ehe bei Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften:

"§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG steht der Anerkennung eines ausländischen Urteils, das eine Ehe (hier: zwischen zwei Libanesen) bestätigt, entgegen, wenn diese Ehe in Deutschland weder vor dem Standesamt noch vor einer von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person geschlossen worden ist."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Eheschließung im Ausland, religiöse Eheschließung, Wirksamkeit der Eheschließung, Eheschließung, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, Anerkennungshindernisse, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, ordre public,
Normen: FamFG § 109 Abs. 1 Nr. 4,
Auszüge:

[...]

26 Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist, § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Das ist hier der Fall. Die Entscheidung des libanesischen Gerichts steht mit den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung in so starkem Widerspruch, dass es nach deutschen Vorstellungen untragbar erscheint (vgl. BGH, NJW 2015, 479, 480).

27 Eine Ehe kann im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden, Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB a. F. bzw. Abs. 4 S. 1 EGBGB n.F.. Das erfordert die Mitwirkung des Standesbeamten gem. § 1310 Abs. 1 S. 1 BGB. In diesen Regelungen kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, bei einer Inlandstrauung dem Grundsatz der obligatorischen Zivilehe eine größere Bedeutung einzuräumen als einem gemeinsamen Ehewillen (BGH, NJW-RR 2003, 850, 852). Eine dem widersprechende ausländische Entscheidung kann im Inland nicht anerkannt werden (Senat, Beschluss vom 20. Mai 1975 - 1 VA 1/75 - OLGZ 1976, 149, 153; Coester, in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rdn. 153; Hohloch, in: Erman, BGB, 15. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rdn 46; Mäsch, in: JurisPK-BGB, 8. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rdn. 62; a.A. Palandt/Thorn, BGB, 78. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rdn. 28). Wann eine Inlandsehe formfehlerhaft geschlossen worden ist und welche Folgen dies hat, richtet sich allein nach deutschem Recht (Mankowski, in: Staudinger, BGB, 2010, Art. 13 EGBGB, Rdn. 549). Durch die Anerkennung einer das Formerfordernis ignorierenden Entscheidung eines heimatstaatlichen Gerichts der Beteiligten würden diese Regelungen umgegangen und letztlich die formlose Eheschließung im Inland ermöglicht (vgl. Senat a.a.O.; Mankowski, a.a.O., Rdn. 550).

28 Eben zu diesen Folgen führte die Anerkennung der Entscheidung des Sunnitischen Scharia Gerichts von S.. Das dortige Gericht hatte entschieden, dass die im Oktober 2004 im Libanon erfolgte (Handschuh-) Eheschließung im Hinblick auf die bereits im April desselben Jahres in Berlin erfolgte - nach Ansicht des libanesischen Gerichts wirksame - Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 unwirksam sei. Dass die Eheschließung in Berlin lediglich in einer Moschee ohne Beteiligung eines Standesbeamten oder einer von der Regierung des Libanon ordnungsgemäß ermächtigten Person (hierzu: Mankowski, a.a.O., Rdn. 641) erfolgt war, war für das libanesische Gericht offenbar ohne Bedeutung. Dies steht seiner Anerkennung gem. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG entgegen, so dass die Beteiligten zu 1 und 2 jedenfalls für den deutschen Rechtsbereich nicht als miteinander verheiratet anzusehen sind. [...]