VG Cottbus

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Zitieren als:
VG Cottbus, Beschluss vom 06.03.2019 - 3 L 85/19 - asyl.net: M27086
https://www.asyl.net/rsdb/M27086
Leitsatz:

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die einer Beschäftigungserlaubnis und damit einer Ausbildungsduldung entgegenstehen, liegen bereits dann vor, wenn erkennbar ist, dass die Aufenthaltsbeendigung aktuell angestrebt wird. Das ändert sich auch nicht nachträglich dadurch, dass der bereits gebuchte Abschiebungsflug wegen Ankündigung der Anrufung der Härtefallkommission storniert wird. Die Ausbildungsduldung ist nicht dazu da, ein Aufenthaltsrecht zu vermitteln, wenn eine Aufenthaltsbeendigung ansteht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Arbeitsgenehmigung, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Härtefallkommission, Beschäftigungserlaubnis,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S.4,
Auszüge:

[...]

16 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ergriffen worden war, ist der Zeitpunkt der Beantragung einer Ausbildungsduldung bei der zuständigen Behörde (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13. Oktober 2016 – 11 S 1991/16 –, juris, Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. November 2016 – OVG 12 S 61.16 –, juris, Rn. 11; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 9. Dezember 2016 – 8 ME 184/16 –, juris. Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13. März 2017 – 18 B 148/17 –, juris, Rn. 23; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11. Juli 2017 – 7 B 11079/17 -, juris, Rn. 38; a.A.: VG Würzburg , Beschl. v. 26. September 2016 – W 7 E 16.953 –, juris, Rn. 27). Vorliegend kann offen bleiben, ob dies der Eingang des schriftlichen Antrags des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers samt Kopie des Ausbildungsvertrages am 11. Februar 2019 per Fax (Bl. 127 VV) oder bereits die Mitteilung über die sofort beginnende Ausbildung per E-Mail durch den Antragsteller am 10. Februar 2019 (Bl. 114 VV) war. Denn zu beiden Zeitpunkten standen bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG bevor.

17 Dieses Kriterium erfordert nicht, dass konkrete Maßnahmen bereits angeordnet oder ausgeführt worden sind. Die Gesetzformulierung "Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung" ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung. Es genügt entsprechend dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 25) vielmehr, dass die Abschiebung durch die Ausländerbehörde oder eine andere für die Aufenthaltsbeendigung zuständige Behörde vorbereitet wird und für diese absehbar durchgeführt werden soll. Der Erteilung einer Duldung entgegenstehende Maßnahmen sind daher solche, die nach typisierender Betrachtung prognostisch bereits in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung selbst stehen, und erfasst behördliche Vorbereitungshandlungen, die die Durchsetzung der Ausreisepflicht zum Gegenstand haben und denen zu entnehmen ist, dass der weitere Aufenthalt nicht mehr hingenommen und eine Aufenthaltsbeendigung aktuell angestrebt wird. Dies können etwa die Kontaktaufnahme mit der deutschen Auslandsvertretung im Abschiebezielstaat zur Vorbereitung der Abschiebung, die Beantragung eines Pass(ersatz)papiers zum Zwecke der Abschiebung, die Erstellung eines Rückübernahmeersuchens, das Abschiebungsersuchen der Ausländerbehörde gegenüber der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Behörde, die Bestimmung eines Abschiebetermins, die Veranlassung einer erforderlichen ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit oder die Beantragung von Abschiebungshaft sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29. August 2018 – OVG 2 S 32.18 –, n.v., UA, S. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13. März 2017 – 18 B 148/17 –, juris, Rn. 19; Beschl. v. 23. April 2018 – 18 B 110.18 –, juris, Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13. Oktober 2016 – 11 S 1991/16 –, juris, Rn. 21; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 9. Dezember 2016 – 8 ME 184/16 –, juris, Rn. 8; Beschl. v. 30. August 2018 – 13 ME 298/18 –, juris, Rn. 10; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11. Juli 2017 – 7 B 11079/17 –, juris, Rn. 33).

18 Nach diesen Maßgaben steht der Erteilung einer Ausbildungsduldung an den Antragsteller entgegen, dass der Antragsgegner bereits am 24. Januar 2019 die Planung aufenthaltsbeendender Maßnahmen begonnen und am 01. Februar 2019 eine Flugreservierung vorgenommen hat. Im Rahmen der persönlichen Vorsprache des Antragstellers am 24. Januar 2019 ist ihm ausweislich des Aktenvermerks des Antragsgegners (Bl. 107 VV) mitgeteilt worden, dass an diesem Tag mit der Planung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen begonnen werden würde. Sodann folgt ein Arbeitsvermerk vom 01. Februar 2019, nach dem an diesem Tag eine telefonische Rückfrage bei der B. ergeben habe, dass Flugtickets jederzeit kurzfristig gebucht werden könnten. Eine Flugreservierung für den 13. Februar 2019 ist nach dem Aktenvermerk am 01. Februar 2019 erfolgt. Dass dieser Flug zwischenzeitlich offensichtlich storniert wurde, kann nichts daran ändern, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bereits am 01. Februar 2019 ergriffen wurden. Eine Verschiebung des Flugs ist nach Aktenlage erfolgt, weil der Antragsteller angekündigt hat, die Härtefallkommission anzurufen, da in diesem Fall die Abschiebung nicht hätte durchgeführt werden können. In einer solchen Konstellation fehlt es weiterhin an dem notwendigen Tatbestandsmerkmal, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, wenn solche Maßnahmen bereits erfolgt sind und wieder aufgegriffen werden (vgl. nach dem negativen Ausgangs eines Asylverfahrens: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29. August 2018 – OVG 2 S 32.18 –, n.v., UA, S. 5; vgl. nach Ablauf einer vorübergehenden Duldung wegen der Prüfung des Falles durch die Härtefallkommission: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26. Juli 2018 – OVG 6 S 20.18/OVG 6 M 35.18 –, juris, Rn. 6). Der Antragsgegner hat für den Antragsteller unzweifelhaft seit 24. Januar 2019 zu erkennen gegeben, dass er an der beabsichtigten Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers festhält. Dies ist zu einem festzumachen an der wiederholten Ausstellung von Grenzübertrittsbescheinigungen. Angesichts dieses Verfahrensablaufs ist weiter von der absehbaren Durchführung der Aufenthaltsbeendigung (gerade auch angesichts des Fehlens sonstiger Duldungsgründe) auszugehen und insbesondere der sachliche und zeitliche Zusammenhang mit der Planung der Abschiebung des Antragstellers am 01. Februar 2019 nach wie vor gegeben, selbst wenn der nun konkret in Rede stehende Flug am 06. März 2019 erst nach Stellung des Antrags auf Ausbildungsduldung gebucht wurde. Dabei ist unerheblich, dass sich der konkrete Termin der Buchung des Fluges am 06. März 2019 der Akte nicht entnehmen lässt. Jedenfalls ist der Reiseplan der B. am 28. Februar 2019 beim Antragsgegner eingegangen (Bl 148 VV). [...]