VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Urteil vom 30.11.2018 - 2 K 1085/15 - asyl.net: M27088
https://www.asyl.net/rsdb/M27088
Leitsatz:

Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 wegen PTBS für eine Angehörige der russischen Minderheit aus der Ukraine:

Dass Atteste nicht den Voraussetzungen aus § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen, ist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG unschädlich.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ukraine, psychische Erkrankung, Posttraumatische Belastungsstörung, Ostukraine, Doneck, Atteste, Attest, Aufenthaltserlaubnis,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7, AufenthG § 60a Abs. 2c, AufenthG § 25 Abs. 3 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ab dem ... 08.2014.

Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 vorliegt. [...]

Es liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seit dem ... 08.2014 aufgrund der psychischen Erkrankung der Klägerin vor.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. [...]

Die Kammer ist nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass für die Klägerin bei einer Rückkehr in die Ukraine eine konkrete Gefahr für Leib und Leben aufgrund einer jedenfalls wesentlichen Verschlechterung ihrer Posttraumatischen Belastungsstörung (im Folgenden: PTBS) und einer depressiven Episode aufgrund einer Retraumatisierung der Klägerin in der Ukraine besteht. [...]

Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG steht schließlich nicht entgegen, dass die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Atteste nicht die Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG erfüllen.

Der Ausschluss des Anspruchs bei Verletzung von Mitwirkungspflichten ist für den § 25 Abs. 3 AufenthG ausdrücklich in § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG geregelt. Dieser Ausschluss gilt jedoch lediglich bei Verstößen gegen "entsprechende" Mitwirkungspflichten, welche sich nach Wortlaut und Sinn und Zweck auf die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 AufenthG genannte Möglichkeit und Zumutbarkeit der Ausreise in einen anderen Staat beziehen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.03.2014 - OVG 6 N 27.14 -, juris Rn. 5). Die Verletzung einer Mitwirkungspflicht muss ursächlich für das Ausreisehindernis sein (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 79; Maaßen/Kluth, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 19 Edition [Stand: 01.08.2018], § 25 Rn. 44; Fränkel, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 25 Rn. 27; Göbel-Zimmermann, in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 25 Rn. 22). Eine solche Mitwirkungspflicht hat die Klägerin nicht verletzt. Es ist bereits kein anderer Staat ersichtlich, in den eine Ausreise der Klägerin in Betracht käme. [...]