Flüchtlingsanerkennung für Frau aus Südsomalia:
1. Flüchtlingsanerkennung für eine Frau, der die Steinigung wegen vermeintlichen Ehebruchs droht, wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.
2. Wegen der prekären Lage in Somalia ist es insbesondere Frauen nicht möglich, sich in einem anderen Ort eine Existenzgrundlage zu schaffen und somit eine inländische Fluchtalternative zu finden.
(Leitsätze der Redaktion)
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Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Somalia vom 07. März 2018 ist die Lage von Frauen und Mädchen in Südsomalia weiterhin besonders prekär. Sie bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen Versklavung ausgesetzt. Ein wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe ist dem Lagebericht zufolge mangels staatlicher Autorität nicht gewährleistet. In den von der Al Shabaab kontrollierten Gebieten kommt es auch weiterhin zu von der Al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation der Republik Österreich - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, 12.01.2018). In den von Al-Schabaab beherrschten Landesteilen wird die Todesstrafe auch für Ehebruch und "Kooperation mit den Feinden des Islam" (d.h. mit der Regierung, der AU-Mission AMISOM, den UN oder Hilfsorganisationen) verhängt und öffentlich, z.T. durch Steinigung, vollzogen.
Im Falle der Klägerin ist der Verfolgungsgrund des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG verwirklicht. Die Klägerin ist Teil der "bestimmten sozialen Gruppe" "Frauen". § 3b Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbsatz AsylG stellt ausdrücklich klar, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch bei einer alleinigen Anknüpfung an das Geschlecht vorliegen kann.
Als Verfolgungshandlungen droht der Klägerin bei Rückkehr der Vollzug der Strafe für den vermeintlichen Ehebruch. Es ist auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Klägerin bei einer etwaigen Rückkehr "entdeckt" wird. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, angesichts der sehr prekären Lebensverhältnisse in Somalia, insbesondere in ihrem Fall als Frau, im Falle einer Rückkehr nicht an einem beliebigen Ort unerkannt weiterleben kann, sondern gezwungen ist, sich unter Offenbarung ihrer Identität wieder in das örtliche Clangefüge in ... und die sonst herrschenden Strukturen einzufügen. Es ist deshalb hinreichend wahrscheinlich, dass im Falle ihrer Rückkehr in ihrem Umfeld wieder ins Bewusstsein rückt, weshalb die Klägerin geflohen ist. An einem anderem Ort als dem, an dem ihrer Familie lebt, wäre die Klägerin eine alleinstehende und im wahrsten Sinne des Wortes auf sich alleine gestellte Frau. Den oben beschriebenen drohenden Gefahren geschlechtsspezifischer Verfolgung wäre sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schutzlos ausgesetzt. [...]