VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 22.08.2018 - 1 A 340/17 - asyl.net: M27178
https://www.asyl.net/rsdb/M27178
Leitsatz:

Bei der Anwendung der Stichtagsregelung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist auf das Datum des Nach­suchens um Asyl abzustellen und nicht auf das Datum der förmlichen Asylantragstellung im Sinne von § 14 AsylG. Dies folgt aus der teleologischen, historischen und systematischen Auslegung der Norm; der Wortlaut der Norm ist offen und steht einer entsprechenden Auslegung nicht entgegen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: sichere Herkunftsstaaten, Arbeitsgenehmigung, Beschäftigungserlaubnis, Beurteilungszeitpunkt, Asylgesuch, Asylantrag,
Normen: AsylG § 13, AsylG § 14, AsylG § 61 Abs. 2 S. 4, AufenthG § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3, BeschV § 32,
Auszüge:

[...]

33 § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG knüpft an den Begriff des Asylantrags in den §§ 13 Abs. 1, 14 AsylG an. Ein Asylantrag im Sinne von § 13 AsylG ist auch ein wiederholt geäußertes Schutzgesuch, mithin ein Asylfolgeantrag im Sinne des § 71 AsylG. Nur in Bezug auf Personen aus den sicheren Herkunftsstaaten des Balkan, die nach einem erfolglosen Asylverfahren im Bundesgebiet verblieben sind und als abgelehnte Asylbewerber weitere Asylfolgeverfahren geführt haben, kommt im Hinblick auf die Besonderheiten von § 71 AsylG in Betracht, allein auf den Asyl(erst)antrag abzustellen (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2017 - 22 L 4570/17 -, juris Rn. 20 ff.; Nds. OVG, Beschl. v. 30.08.2018 - 13 ME 298/18 -, juris Rn. 7). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

34 (2) Nach Überzeugung der Kammer ist für die Frage, ob § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG hier Anwendung findet, der Zeitpunkt des Asylgesuchs des Klägers entscheidend, das diesem am 26. Januar 2015 von der ZAST I. mit Ausstellung der sogenannten BüMA bescheinigt wurde (BA 003, Bl. 9).

35 Ob für die Anwendung der Stichtagsregelung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG maßgeblich auf das Datum des Asylgesuchs oder auf das Datum der förmlichen Asylantragstellung nach § 14 AsylG abzustellen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten.

36 Nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, der sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und das Hamburgische Oberverwaltungsgericht angeschlossen haben, kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung an (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 08.12.2016 – 8 ME 183/16 -, juris Rn. 6; Hbg. OVG, Beschl. v. 15.11.2017 – 3 Bs 252/17 -, juris Rn. 9; OVG NW, Beschl. v. 18.08.2017 – 18 B 792/17, juris Rn. 5; zuletzt Nds. OVG, Beschl. v. 19.09.2018 - 13 ME 355/18 -, juris Rn. 5). Dies ergebe sich aus dem Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ("gestellter Asylantrag"). Diesem Normverständnis folgt auch das Bundesministerium des Innern in seinen – die Kammer nicht bindenden – Allgemeinen Anwendungshinweise zur Duldungserteilung nach § 60a Aufenthaltsgesetz vom 30. Mai 2017 (abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/ anwendungshinweise-duldungsregelung.html). Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat sich in seinem Erlass vom 27. September 2017 (14.12 - 12230/ 1-8 (§ 60a) n.v.) diese Anwendungshinweise mit hier nicht entscheidungserheblichen Ergänzungen zu eigen gemacht; das Ministerium hat damit zugleich seinen früheren Runderlass vom 16. Februar 2017 (14.11 – 12230/ 1-8 (§ 60a), Nds. MBl. 2017, 218, Voris 26100) aufgehoben. In diesem Erlass hatte das Niedersächsische Ministerium für Inneres die niedersächsischen Ausländerbehörden noch angewiesen, bei der Anwendung von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auf das Datum der Registrierung in der Erstaufnahmeeinrichtung abzustellen.

37 Demgegenüber sieht in Einklang mit der früheren Erlasslage in Niedersachsen der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschl. v. 09.10.2017 - 11 S 2090/17 -, juris Rn. 6 ff.) den Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG als offen an. Das Gericht folgert aus dem Sinn und Zweck des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, zukünftige Einreisen zu verhindern, dass es auf das Asylgesuch ankomme, wenn dieses vor dem gesetzlichen Stichtag gestellt worden sei (zustimmend zu VG Freiburg, Beschl. v. 20.01.2016 - 6 K 2967/15 -, juris Rn. 10 ff.; Huber/Eichenhofer/Endres de Oliveira, Aufenthaltsrecht, 2017, Rn. 1239). Die Einreise von Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern, die bereits ein Asylgesuch gestellt hatten, könne – so das Gericht – durch die Neuregelung nicht mehr verhindert werden.

38 Die Kammer schließt sich der Auffassung an, nach der der Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht eindeutig an den förmlichen Asylantrag anknüpft. Aus teleologischen sowie aus historischen und systematischen Gründen ist auf das Asylgesuch abzustellen; die Wortlautgrenze steht dieser Auslegung nicht entgegen.

39 Der Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist nach Überzeugung der Kammer offen. Das Asylgesetz unterscheidet zwischen dem geäußerten Asylgesuch und dem förmlich gestellten Asylantrag; dieselbe Unterscheidung findet sich der Sache nach in Art. 6 RL 2013/32/EU (Asylverfahrens-Richtlinie) wieder, der zwischen dem Antrag auf internationalen Schutz und der förmlichen Antragstellung bei den zuständigen Behörden unterscheidet. Der Begriff des Asylantrags ist inhaltlich in § 13 Abs. 1 AsylG legaldefiniert. Mit dem formlos geäußerten "Asylantrag" ist dieser Antrag aber noch nicht förmlich gestellt. Wann das der Fall ist, regelt § 14 AsylG. Erst mit der förmlichen Antragstellung im Sinne von § 14 AsylG liegt ein Asylantrag im engeren Sinne vor; im Übrigen handelt es sich um ein bloßes Asylgesuch (BVerwG, Beschl. v. 03.12.1997 - 1 B 219.97 -, juris Rn. 3). Das Asylgesetz in seiner aktuellen Fassung differenziert an mehreren Stellen zwischen dem Begriff des "Nachsuchens um Asyl" (vgl. §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1, 18a Abs. 1, 19 Abs. 1, 63a Abs. 1 Satz 1, 87c Abs. 2 AsylG) und der "Asylantragstellung" (vgl. §§ 23 Abs. 1 und 2, 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Diese für sich genommen sprachlich klare Unterscheidung hält der Gesetzgeber im Asylgesetz allerdings nicht stringent durch. Das Asylgesetz verwendet bezüglich der in § 13 AsylG legal als "Asylantrag" definierten und als "Nachsuchen um Asyl" beschriebenen Handlung eines Schutzsuchenden etwa in § 20 Abs. 2 Satz 1 AsylG unter anderem auch den Begriff der "Stellung eines Asylgesuchs" (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 17.08.2017 - 3 K 5875/17 -, juris Rn. 12). Insbesondere jedoch im Aufenthaltsgesetz finden sich vermehrt Regelungen, die nach ihrem Wortlaut nicht trennscharf zwischen dem formlosen Asylgesuch und dem förmlich gestellten Asylantrag unterscheiden. So ist § 15 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ("… der einen Asylantrag gestellt hat") inhaltlich so zu verstehen, dass das an der Grenze geäußerte Asylgesuch im Sinne von § 13 AsylG gemeint ist (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AsylG, § 15 Rn. 36). Daneben knüpft § 10 Abs. 1 Satz 1 AufenthG inhaltlich an das formlos geäußerte Asylgesuch an (Maor in: Beck-OK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 20. Ed. Stand 01.11.2018, AufenthG § 10 Rn. 3). Dies zeigt, dass im gesamten Aufenthaltsgesetz weder der Begriff des Asylantrags für sich genommen noch der Begriff der Asylantragstellung klar und eindeutig als förmlich gestellter Asylantrag im Sinne von § 14 AsylG zu verstehen ist. Vielmehr muss für jede einzelne Norm des Asylgesetzes wie des Aufenthaltsgesetzes durch Auslegung bestimmt werden, ob die betreffende Regelung inhaltlich auf das formlos geäußerte Asylgesuch oder die förmliche Asylantragstellung abstellt.

40 Vorliegend streitet entscheidend der Sinn und Zweck des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG dafür, auf das formlos geäußerte Asylgesuch abzustellen. Wie oben ausgeführt, ist es Sinn und Zweck dieser Norm (wie von § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG), Fehlanreize für unberechtigte Asylanträge zu beseitigen und einen weiteren Anstieg der Zahl der Asylbewerber vom Balkan zu vermeiden. Er ist mithin in die Zukunft gerichtet (so auch VGH BW, Beschl. v. 09.10.2017 - 11 S 2090/17 -, juris Rn. 8) und kann nur in Bezug auf ein Asylverfahren erreicht werden, das zum Zeitpunkt der Verkündung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 20. Oktober 2015 noch nicht durch einen förmlich gestellten Asylantrag beim Bundesamt anhängig war, nicht jedoch durch die Streichung von Beschäftigungsmöglichkeiten bezüglich bereits eingereister und im Asylverfahren befindlicher Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten des Balkan. Anhaltspunkte für ein zusätzliches Motiv des Gesetzgebers, durch den Entzug des bestehenden Arbeitsmarktzugangs die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise unter den im Verfahren befindlichen Asylbewerbern vom Balkan zu erhöhen, mithin eine zusätzliche Sanktionsnorm zu schaffen, lassen sich in den Gesetzesmaterialien nicht finden.

41 Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht dafür, dass im Rahmen des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG keinesfalls zwingend auf eine – im Jahr 2015 teilweise Monate nach dem Asylgesuch erfolgte (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, BT-Drs. 18/4581 vom 10.04.2015, S. 3 f.) – förmliche Asylantragstellung abzustellen ist; vielmehr streitet auch sie für die von der Kammer vertretene Lesart. Der Referentenentwurf aus dem CDU-geführten Bundesministerium des Innern zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und weiterer Gesetzes – Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz –) vom 21. September 2015 (abrufbar unter www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/asylverfahrensbeschleunigungsgesetz-refe.pdf) sah in Art. 3 Nr. 10 c) noch ein in zeitlicher Hinsicht grenzenloses Beschäftigungsverbot für Geduldete vor, deren Asylantrag nach § 29a AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Eine zeitliche Beschränkung auf im Asylverfahren befindliche Schutzsuchende aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten war darin noch nicht vorgesehen. Erst im Zuge des bereits genannten Asylgipfels vom 24. September 2015 wurde ersichtlich unter Einfluss insbesondere der SPD-regierten Länder die Stichtagsregelung geschaffen, die später Gesetz geworden ist. Die dort gewählte, im politischen Kompromiss gefundene Formulierung ("Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, wird ein Beschäftigungsverbot eingeführt. Dies gilt während des Asylverfahrens und wenn der Asylantrag abgelehnt ist.", s. Ergebnisprotokoll der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015, S. 4) wurde ohne inhaltliche Änderung in den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD vom 29. September 2015 (BT-Drs. 18/6185), dort § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG und § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, überführt. Die knappe zur Verfügung stehende Zeit für die gesetzestechnische Umsetzung der Ergebnisse des Asylgipfels führte zu der schlichten Übernahme des Wortlauts des Ergebnisprotokolls in die Gesetzesbegründung, mithin einer wortkargen Begründung zu § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 51), ohne dass hierin eine juristisch exakte Klarstellung der Wendung "gestellter Asylantrag" erfolgt und der gewählte Stichtag sachlich begründet wird: "Für Geduldete aus sicheren Herkunftsstaaten, deren ab dem 1. September 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde, wird ein Beschäftigungsverbot eingeführt." Auch die Begründung zu § 61 AsylG (BT-Drs. 18/6185, S. 34) leidet an diesem Mangel. Es heißt hier in Übernahme des Ergebnisses des Asylgipfels schlicht: "Mit dem angefügten Satz wird für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, ein über § 61 hinausreichendes Beschäftigungsverbot während des Asylverfahrens eingeführt. Im Fall der Ablehnung des Asylantrags gilt die Versagungsregelung von § 60a Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes." Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Ergebnisses des Asylgipfels vom 24. September 2015 und des Gesetzentwurfs vom 29. September 2015, Fehlanreize für unberechtigte Asylanträge von Asylbewerbern aus den neuen sicheren Herkunftsstaaten zukünftig zu beseitigen, aber auch unter Beachtung des erst kurz zuvor erzielten Kompromisses der damaligen Großen Koalition zur Ausweitung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylbewerber und Geduldete, die durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, 1386) geschaffen und nicht wieder vollständig zurückgenommen werden sollten, kann es sich nach Auffassung der Kammer bei der sprachlichen Fassung von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und von § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG nur um eine – wie ausgeführt auch an anderen Stellen im Asylgesetz und Aufenthaltsgesetz unterlaufene – Ungenauigkeit handeln; der Gesetzesklarheit wäre es dienlich gewesen, von vornherein ausdrücklich auf das Datum der Äußerung des Asylgesuchs abzustellen. Insoweit ist die ursprüngliche Erlasslage in Niedersachsen vom zutreffenden Normverständnis wie von der Normgenese informiert gewesen und widersprach nach Auffassung der Kammer gerade nicht der Gesetzeslage (so aber Nds. OVG, Beschl. v. 08.12.2016 - 8 ME 183/16 -, juris Rn. 7).

42 Systematische Gründe sprechen ebenfalls dafür, den Anwendungsbereich des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG eng zu fassen. Die Regelung ist ein durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz neu eingeführtes Beschäftigungsverbot, während § 60a Abs. 6 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG aus § 33 BeschV a.F. hervorgegangen sind. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich des Zugangs von Geduldeten zum Arbeitsmarkt ergibt sich auch nach dem Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes aus § 32 BeschV. Auch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz hat die Grundaussage des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, 1386) nicht beseitigt, nach der gut integrierte Geduldete (auch bei fehlendem rechtmäßigen Aufenthalt) grundsätzlich unabhängig von ihrer Herkunft oder Staatsangehörigkeit weitestgehend Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen. Vielmehr zeigt sich auch im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz das widerstreitende Interesse an der Eindämmung der Zuwanderung über das Asylverfahren einerseits und der Einbeziehung von Schutzsuchenden in den Arbeitsmarkt andererseits. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stellt sich in diesem Gefüge als eine Ausnahmevorschrift dar; sie ist damit eng auszulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.02.1956 - V C 169.54 -, juris Rn. 17 a. E.).

43 Der Regelungszusammenhang mit der Beschäftigungsverordnung führt zu einem weiteren systematischen Argument für das Verständnis der Wendung "gestellter Asylantrag" als Nachsuchen um Asyl im Sinne des § 13 AsylG. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg weist in seiner Entscheidung vom 9. Oktober 2017 (- 11 S 2090/17 -, juris Rn. 9) zutreffend auf das Zusammenspiel des Beschäftigungsverbots in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG mit § 26 Abs. 2 BeschV hin, der mit dem Asylpaket I ebenfalls neu gefasst wurde. Nach § 26 Abs. 2 BeschV können für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien in den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 Zustimmungen zur Ausübung jeder Beschäftigung erteilt werden. Die Zustimmung darf allerdings nur erteilt werden, wenn der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat gestellt wurde. Die Zustimmung darf nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat. Letzteres gilt nicht für die – insoweit privilegierten – Antragsteller, die nach dem 1. Januar 2015 und vor dem 24. Oktober 2015 einen Asylantrag gestellt haben, sich am 24. Oktober 2015 gestattet, mit einer Duldung oder als Ausreisepflichtige im Bundesgebiet aufgehalten haben und unverzüglich ausreisen (§ 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV). Der Verwaltungsgerichtshof macht richtigerweise eine willkürliche Benachteiligung von Schutzsuchenden aus den sicheren Herkunftsstaaten aus, wenn der Begriff des Asylantrags in § 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV im Sinne des förmlich gestellten Antrags verstanden würde: Diejenigen Schutzsuchenden aus den sicheren Herkunftsstaaten, die zwischen dem 1. Januar und 23. Oktober 2015 nur ein Asylgesuch eingereicht hätten und aufgrund der herrschenden Umstände keinen förmlichen Asylantrag stellen konnten, wären von der Privilegierung durch § 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV ausgeschlossen, den alle anderen genössen, deren Verfahren weiter fortgeschritten gewesen seien. Sie würden zugleich aber vom Beschäftigungsverbot aus § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG, § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG getroffen, wenn man bei der Anwendung dieser Vorschriften ebenfalls auf den förmlichen Asylantrag abstellte und diejenigen in den Blick nähme, die bis zum 31. August 2015 keine Gelegenheit hatten, einen förmlichen Asylantrag zu stellen. Demgegenüber besteht dann, wenn man jeweils auf das Datum des Asylgesuchs abstellt, keine willkürliche Benachteiligung von Schutzsuchenden aus den neuen sicheren Herkunftsstaaten. Betroffen vom Beschäftigungsverbot sind nach dieser Auslegung nur diejenigen, die ab dem 1. September 2015 ein Asylgesuch geäußert haben; ihnen steht dann aber noch die privilegierte Arbeitsmigration aus ihrem Heimatland offen, wenn sie bis zum 24. Oktober 2015 das Asylgesuch geäußert und sich im Bundesgebiet aufgehalten haben und unverzüglich ausgereist sind. Nur in dieser Auslegung ist der Normzusammenhang von § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG, § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und § 26 Abs. 2 BeschV in sich schlüssig und widerspruchsfrei. [...]