VG Weimar

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Zitieren als:
VG Weimar, Urteil vom 27.02.2019 - 2 K 21000/16 We - asyl.net: M27195
https://www.asyl.net/rsdb/M27195
Leitsatz:

Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots aus dem ablehnenden Asylbescheid des BAMF für ein ein in Deutschland geborenes Kind, dessen Vater subsidiärer Schutz gewährt wurde.

Die Nichtberücksichtigung dieser familiären Bindung zu einer in Deutschland aufenthaltsberechtigen Person führt zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Einreise- und Aufenthaltsverbot, subsidiärer Schutz, Familieneinheit, Kind, Eltern-Kind-Verhältnis, Schutz von Ehe und Familie,
Normen: AufenthG § 11,
Auszüge:

[...]

6. Allerdings ist die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Nr. 6 des angefochtenen Bescheides rechtswidrig. Die Höhe der Befristung ist im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ermessensfehlerhaft.

Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Nach § 11 Abs. 3 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Die Klägerin hat mithin einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten.

Vorliegend ist das ausgeübte pflichtgemäße Ermessen der Beklagten nicht mehr ermessensfehlerfrei.

Bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der die persönlichen Belange des betroffenen Ausländers an einer Wiedereinreise und einem erneutem Aufenthalt im Bundesgebiet sowie die öffentlichen Interessen an der Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet zu berücksichtigen sind (vgl. VGH München, Beschl. v. 06.04.2017 -. 11 ZB 17.30317; Bauer/Dollinger in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht - Kommentar, 12. Auflage 2019, § 11 Rn. 31). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG dient der Durchsetzung von Maßnahmen wie der Ausweisung, Abschiebung und Zurückschiebung. Die vorgenannten Maßnahmen zielen allesamt darauf ab, dass sich der betroffene Ausländer nicht im Bundesgebiet aufhält. In die Entscheidung zur Fristlänge sind neben Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch familiäre und persönliche Belange des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 16. Edition; Stand: 01.11.2017, Rn. 24; VGH München, Beschl. v. 06.04.2017 - 11 ZB 17.30317). Hierzu gehören u.a. auch verwandtschaftliche Bindungen an Personen im Bundesgebiet.

Vorliegend hat das Gericht beim Vater der Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG festgestellt. Mithin ist diesem nach § 25 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr zu erteilen, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Dies hat die Beklagte im Rahmen ihrer Entscheidung über die Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbotes der Klägerin unter Nr. 6 des angefochtenen Bescheides ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt bzw. berücksichtigen können.

Bei einer Neuentscheidung wird die Beklagte die familiäre Bindung der fast zwei Jahre alten Klägerin neben ihrer Mutter auch zum im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigten Vater zu berücksichtigen haben. Die Familie der Klägerin lebt in einem augenscheinlich intakten Familienverbund in der Bundesrepublik Deutschland. Die minderjährige Klägerin ist auf die Personensorge, Erziehung und Pflege ihrer beiden Elternteile angewiesen. Dies hat auch seine verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 6 GG erfahren (ebenso in § 26 AsylG). Mithin war die Entscheidung zum Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben. [...]