VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.2019 - 12 S 502/19 - asyl.net: M27239
https://www.asyl.net/rsdb/M27239
Leitsatz:

Sperre für Ausbildungsduldung auch bei Asylfolgeanträgen:

"Die Erteilung einer Ausbildungsduldung ist nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ausgeschlossen, wenn der Ausländer Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaats nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31.08.2015 gestellter Asylfolgeantrag mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abgelehnt worden ist; nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG fallen unter den Begriff "Asylantrag" sowohl Asylerst- als auch Asylfolgeanträge."

(Amtliche Leitsätze, anders VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2017 - 22 L 4570/17 - juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.08.2018 - 13 ME 298/18 - juris )

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, sichere Herkunftsstaaten, Asylfolgeantrag, Asylantrag, Arbeitserlaubnis,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4,
Auszüge:

[...]

Dem Einwand des Antragstellers, unter den Begriff "Asylantrag" in § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG falle nur ein Asylerstantrag und nicht - wie hier - ein Asylfolgeantrag, kann nicht gefolgt werden. Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck sprechen dafür, die Vorschrift auch auf Asylfolgeanträge zu erstrecken. Im Einzelnen:

Nach allgemeiner Meinung ist auch ein Folgeantrag ein Asylantrag i.S.d. der Legaldefinition in § 13 Abs. 1 AsylG, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 71 Abs. 1 AsylG ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 12.07.2016 - 1 C 23.15 - juris Rn. 10 für den Fall eines Zweitantrags nach § 71a Abs. 1 AsylG). Auch inhaltlich ist ein Folgeantrag ein Asylantrag, denn er ist darauf gerichtet, Schutz vor politischer Verfolgung oder internationalen Schutz i.S.d. Richtlinie 2011/95 zu erlangen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 13 AsylG Rn. 10).

Diese Auslegung des Begriffs "Asylantrag" in § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG wird auch durch die wortgleiche Verwendung dieser Formulierung im Rahmen anderer Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes bestätigt, in denen für Ausländer negative Folgen mit der Stellung bzw. Ablehnung eines Asylantrags normiert sind. Das Verwaltungsgericht weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass nach allgemeiner Meinung etwa bei der Auslegung von § 10 Abs. 1, § 10 Abs. 3 sowie § 51 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG sowohl Asylerstanträge als auch Asylfolgeanträge (und auch Zweitanträge) unter den Begriff "Asylantrag" subsumiert werden. Hätte der Gesetzgeber vor dem Hintergrund dieser einheitlichen Verwendung des Begriffs "Asylantrag" in § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG eine enge, auf einen Asylerstantrag beschränkte Bedeutung dieses Begriffs beabsichtigt, hätte er dies - gerade auch in Abgrenzung zur Verwendung dieser Formulierung an anderer Stelle des Aufenthaltsgesetzes - deutlich gemacht und dementsprechend das Beschäftigungsverbot ausdrücklich an die Stellung eines Asylerstantrags geknüpft.

Die getroffene Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung in § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG, die im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes zum 24.10.2015 in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist. [...]

Danach war mit den gesetzlichen Neuregelungen zum einem beabsichtigt, Anreize für die weitere (ungeordnete) Einreise von Personen aus sicheren Herkunftsländern (insbesondere aus den Ländern des Westbalkans) zum Zwecke der Asylnachsuche zu reduzieren. Deshalb ist mit der Ablehnung eines Asylerstantrags, der nach dem Stichtag gestellt wurde und wird, unmittelbar ein Beschäftigungsverbot für Personen aus sicheren Herkunftsländern verbunden. [...]

Danach kann auch der Gegenauffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 20.12.2017 - 22 L 4570/17 - juris Rn. 33) nicht gefolgt werden, wonach ein nach dem Stichtag gestellter Asylfolgeantrag eines Staatsangehörigen eines sicheren Herkunftsstaates der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegenstehe, da nach dem Normzweck des § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG Anreize für weitere Einreisen aus sicheren Herkunftsstaaten beseitigt werden sollten und dieser Zweck in Bezug auf Personen, die bis zum Stichtag bereits eingereist waren und Asyl beantragt hatten (wie hier der Antragsteller), nicht mehr zu erreichen sei (so auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.08.2018 - 13 ME 298/18 - juris Rn. 7 ohne Begründung). Zwar besteht ein Zweck der Regelung darin, Fehlanreize für weitere Einreisen aus sicheren Herkunftsstaaten zu beseitigen, dies ist aber - wie dargelegt - nicht der einzige Zweck. Fehl gehen auch die in diesem Zusammenhang erfolgten Ausführungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (aaO, juris Rn. 34), dass ein Folgeantrag von Staatsangehörigen sicherer Herkunftsstaaten kein Mittel zur Verhinderung oder Verzögerung der Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht sei, da Folgeanträge von Staatsangehörigen sicherer Herkunftsstaaten nicht die Sperrwirkung im Hinblick auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß § 71 Abs. 5 S. 2 (am Ende) AsylG entfalten würden. [...]

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung in § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG tritt zudem das Beschäftigungsverbot - und der sich daraus unmittelbar ergebende Ausschluss einer Ausbildungsduldung - unmittelbar mit Ablehnung des Asylantrags ein, ohne dass es auf die Bestandskraft dieser Ablehnung ankäme. Hätte der Gesetzgeber das Beschäftigungsverbot an eine unanfechtbare Ablehnung des Asylantrags geknüpft, hätte er dies wie beispielsweise in § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG auch ausdrücklich geregelt. [...]