OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Urteil vom 18.10.2018 - 3 A 756/16 - asyl.net: M27288
https://www.asyl.net/rsdb/M27288
Leitsatz:

Die vorsätzliche unerlaubte Einreise im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ist ein nicht nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften und begründet daher nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 53 Abs. 1 AufenthG.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Ausweisung, schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, Schengenvisum, Touristenvisum, falsche Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, nicht nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften, unerlaubte Einreise, Ausländerstrafrecht, falsche Angaben, Täuschung über Identität,
Normen: AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 3, AufenthG § 54 Abs. 2 Nr. 9,
Auszüge:

[...]

Hier kann offen bleiben, ob ein schwerwiegendes Interesse an der Ausweisung der Klägerin nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG auch deswegen anzunehmen ist, weil sie mehrfach gegen Beschränkungen ihres räumlichen Aufenthalts verstoßen hat. Ein solches schwerwiegendes Ausweisungsinteresse besteht jedenfalls, weil die Klägerin vorsätzlich unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist ist und sich deshalb nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG strafbar gemacht hat.

Nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unerlaubt i. S. v. § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG in das Bundesgebiet einreist. Etwas anderes gilt nur für den Ausländer, der unverzüglich nach seiner Einreise einen Asylantrag stellt. Für ihn bleibt die Einreise ohne Sichtvermerk straffrei (§ 95 Abs. 5 AufenthG i. V. m. § 31 GFK, vgl. BVerwG, Urt. v. 13. Mai 1997 - 9 C 35.96 -, juris). Als Täter kommen nur nichtfreizügigkeitsberechtigte Ausländer aus Drittstaaten in Betracht (vgl. § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 AufenthG), die der Passpflicht nach § 3 AufenthG oder dem Erfordernis des Besitzes eines Aufenthaltstitels nach § 4 AufenthG unterliegen. Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unerlaubt, wenn er den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Welches Visum als das erforderliche Visum für die Einreise anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (zu § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 16. November 2010 - 1 C 17.09 -, juris).

Danach hat sich die Klägerin mit der Einreise in das Bundesgebiet nach § 95 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG strafbar gemacht. Sie ist unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Denn sie gehört als Libanesin nicht zu dem durch § 1 Abs. 2 AufenthG vom Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes ausgenommenen Ausländern, unterliegt der Passpflicht und bedarf zum Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels. Ihre Einreise in das Bundesgebiet war unerlaubt, da sie nicht mit einem zum dauerhaften Aufenthalt geeigneten Visum, sondern mit einem Touristenvisum in den Schengenraum eingereist ist.

Die vorsätzliche unerlaubte Einreise im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ist ein nicht nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften und begründet daher nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 53 Abs. 1 AufenthG (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 23. September 2013 - 3 Bs 131/13 -, Rn. 22). Anders als die Klägerin unter Verweis auf eine Vielzahl angeblich ungeahndeter Fälle von illegaler Einreise im Jahr 2015 meint, handelt es sich bei der unerlaubten Einreise der Klägerin nicht lediglich um eine Bagatelle. Es liegt eine vorsätzliche Straftat vor. Hinzu kommt, dass die Vortäuschung eines falschen Aufenthaltszwecks von einer erheblichen kriminellen Energie der Klägerin zeugt. Im Übrigen handelt es sich bei den im Jahr 2015 eingereisten Ausländern in der überwiegenden Mehrzahl um Asylbewerber, deren Einreise ohne Visum - wie oben ausgeführt - nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG strafbar ist, wenn sie innerhalb angemessener Zeit einen Asylantrag stellen. [...]