VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 18.06.2019 - 9 B 1165/19 - asyl.net: M27406
https://www.asyl.net/rsdb/M27406
Leitsatz:

1. Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach die Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Untersagung einer Abschiebemaßnahme, die auf der Grundlage der Abschiebungsandrohung in einem ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge durchgeführt wird, wegen § 80 AsylG unzulässig ist.

2. Auch eine gegenwärtig nicht mehr andauernde, von dem Versagungstatbestand des § 25b Abs. 2 AufenthG deshalb nicht erfasste, aber langjährig vorgenommene Täuschung über die Identität, die zudem allein kausal für die langjährige Erteilung von Duldungen war, steht einer nach dieser Vorschrift regelmäßig zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis entgegen.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Beschwerde, Beschwerdeausschluss, Abschiebungsandrohung, Ablehnungsbescheid, Asylverfahrensrecht, Asylverfahren, Bleiberecht, Täuschung über Identität, Kausalität, Versagungsgrund, Ausweisungsgrund, Ausweisungsinteresse, Aufenthaltserlaubnis,
Normen: AsylG § 80, AufenthG § 25b, VwGO § 123
Auszüge:

[...]

Die Abschiebemaßnahmen, deren Untersagung die Antragsteller begehren, finden allein auf Grundlage von asylrechtlichen Abschiebungsandrohungen in den ablehnenden Bescheiden das BAMF statt, da der ausländerrechtliche Bescheid der Antragsgegnerin keinerlei Abschiebungsandrohung enthält. Der beschließende Senat hält insoweit an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass dies aus der vom Gesetzgeber mit dieser Regelung verfolgten Intention der Beschleunigung von Asylverfahren folgt, weil Aussetzung der Abschiebung und Duldung so unmittelbar die Durchsetzung der Ausreisepflicht berühren, dass sie hinsichtlich des Rechtsmittelausschlusses nicht anders betrachtet werden können als der asylverfahrensgesetzliche Grundverwaltungsakt und darauf beruhende Vollstreckungsmaßnahmen wie die Abschiebungsandrohung (zuletzt Entscheidung des Senats vom 27.11.2018 - 9 B 2180/18 -; grundlegend Beschluss vom 27.07.1995 - 12 TG 2342/95 -, juris Rn. 16; and. Ansicht etwa Nds. OVG, Beschluss vom 13.09.2016 - 13 PA 151/16 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 04.01.2016 - 10 C 15.2105 -, juris Rn. 17). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht deshalb darauf hingewiesen, dass insoweit wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens auch dann eine asylrechtliche Streitigkeit gegeben ist, wenn die begehrte Aussetzung der Abschiebung auf eine ausländerrechtliche Grundlage wie bspw. § 60a Abs. 2 AufenthG gestützt würde. [...]

Gemäß § 25b Abs. 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und dem Erfordernis der Einreise mit dem für den angestrebten Aufenthalt erforderlichen Visum eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse in Deutschland integriert hat. Sie ist allerdings nach § 25b Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 AufenthG u.a. dann zu versagen, wenn der Ausländer die Aufenthaltsbeendigung durch Täuschung über die Identität verhindert hat oder ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 oder Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AufenthG besteht. Ein zwingender Versagungstatbestand ist in dem Fall der von Abs. 2 Nr. 1 u.a. erfassten Identitätstäuschung nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut zwar nur dann gegeben, wenn diese gegenwärtig vorliegt, dies hat aber nicht zur Folge, dass zurückliegende Täuschungen generell unbeachtlich sind. Denn auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Regelung des § 25b AufenthG "keine Amnestie für jegliches Fehlverhalten in den vorangegangenen Verfahren" darstelle, in der Vergangenheit liegende falsche Angaben sollen demnach nur bei "tätiger Reue" außer Betracht bleiben (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 53 f.) und sofern diese nicht allein kausal für die lange Aufenthaltsdauer gewesen sind (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 44). Von dem Versagungstatbestand des § 25b Abs. 2 AufenthG nicht erfasste (zurückliegende) Täuschungen und Straftaten können deshalb der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dann entgegenstehen, wenn sie nach ihrer Art oder Dauer so bedeutsam sind, dass sie das Gewicht der nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AufenthG relevanten Integrationsleistungen für die nach Abs. 1 Satz 1 maßgebliche Annahme der nachhaltigen Integration beseitigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.07.2015 - 18 B 486/14 -, juris Rn. 8, 13), etwa weil im Einzelfall Integrationsdefizite festzustellen sind, die dazu führen, dass den erzielten Integrationsleistungen bei wertender Gesamtbetrachtung ein geringeres Gewicht zukommt (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., juris Rn. 10). [...]