Recht auf Pflichtverteidigung:
1. Eine Angeklagte, die die deutsche Sprache nicht beherrscht, kann sich gegen den Vorwurf, gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot verstoßen zu haben, nur wehren, wenn sie über ihre Verteidigung anhand der Ausländerakte prüfen lassen kann, ob die Tatvorwürfe zutreffen.
2. Allein die Hinzuziehung einer Sprachmittlung in der Hauptverhandlung kann eine ausreichende Verteidigung nicht gewährleisten. Daher ist gem. § 140 II StPO ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
(Leitsätze der Redaktion)
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Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO vor.
Hiernach bestellt der Vorsitzende einen Pflichtverteidiger, wenn dies wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann.
Zwar steht dem Vorsitzenden bei dieser Beurteilung ein Ermessensspielraum zu. Vorliegend ist jedoch von einer fehlenden Verteidigungsfähigkeit der Angeklagten auszugehen, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
Allein die Hinzuziehung eines Dolmetschers in der Hauptverhandlung, durch die allenfalls bestehende Verständigungsschwierigkeiten kompensiert werden können, reicht vorliegend nicht aus, um eine ausreichende Verteidigung zu gewährleisten.
Für die Beurteilung des Tatvorwurfs und eine hierauf gerichtete effektive Verteidigung ist nach Ansicht der Kammer auch die Kenntnis des Inhalts der Akte der Ausländerbehörde der Kreisverwaltung ... von Bedeutung.
So knüpft der Tatvorwurf daran an, dass die Angeklagte am 18.04.2018 durch die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung ... aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, gegen sie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für ein Jahr ab dem Tag der Abschiebung verhängt worden und sie auf das Verbot einer erneuten Einreise und eines erneuten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen worden sein soll.
Die dieser Beurteilung zu Grunde liegenden Informationen befinden sich in der Akte der Ausländerbehörde der Kreisverwaltung ... Nur aus dieser ergibt sich unmittelbar, wann die Ausweisung der Angeklagten aus der Bundesrepublik Deutschland erfolgte, ob, wann, in welcher Form und über welchen Zeitraum gegen sie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt wurde sowie ob, wann, in welcher Form und Sprache die Angeklagten auf das Verbot und gegebenenfalls die Folgen einer erneuten Einreise und eines erneuten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen wurde.
Da die Angeklagte das ihr zustehende Akteneinsichtsrecht in die Akte der Ausländerbehörde der Kreisverwaltung ... mangels Sprachkenntnissen nicht selbst wahrnehmen kann, ist sie insofern auf einen Pflichtverteidiger angewiesen. [...]