Vereinbarkeit der generalpräventiven Ausweisung mit § 53 AufenthG:
1. Eine Ausweisung kann auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht auf generalpräventive Gründe gestützt werden (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 - NVwZ 2019, 486).
2. Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse muss zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch aktuell sein. Für Ausweisungsinteressen, die an strafbares Verhalten anknüpfen, bieten die strafrechtlichen Verjährungsfristen der §§ 78 ff. StGB einen geeigneten Rahmen zur Konkretisierung. Bei abgeurteilten Straftaten stellen die Fristen für ein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG in jedem Fall die Obergrenze dar.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
17 a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 - (NVwZ 2019, 486 Rn. 16 ff.) für die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dargelegt, dass und aus welchen Gründen auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen können. Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG selbst; die Revisionsbegründung gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Denn auch hier muss lediglich der weitere "Aufenthalt" eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bewirken. Vom weiteren Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann indes auch dann eine solche Gefahr ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. zum früheren Ausweisungsrecht: BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 17 ff.). Diese Auslegung des Wortlauts wird binnensystematisch durch § 53 Abs. 3 AufenthG, der ausdrücklich für bestimmte ausländerrechtlich privilegierte Personengruppen verlangt, dass das "persönliche Verhalten des Betroffenen" eine schwerwiegende Gefahr darstellt, sowie die Gesetzgebungsgeschichte (BT-Drs. 18/4097 S. 49) bestätigt. Auch aus weiteren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, z.B. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG, ergibt sich, dass es generalpräventive Ausweisungsinteressen berücksichtigt sehen will.
18 b) Eine generalpräventiv gestützte Ausweisung kann indes nur an ein Ausweisungsinteresse anknüpfen, das noch aktuell, also zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden ist; denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung und kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2002 - 1 C 6.01 - BVerwGE 115, 352 <360>).
19 aa) Die für die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entwickelten Grundsätze (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 - NVwZ 2019, 486 Rn. 22 ff.) sind auch insoweit auf die Ausweisung selbst zu übertragen. Für die generalpräventive Ausweisung bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG) zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (§ 51 BZRG). [...]
21 Bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses an einer generalpräventiven Ausweisung können jedenfalls dann auch die der absoluten Verfolgungsverjährung unterfallenden Taten, soweit sie nicht einem registerrechtlichen Verwertungsverbot unterliegen, berücksichtigt werden, wenn sie - wie hier - in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den noch nicht absolut verjährten Handlungen gestanden haben und daher geeignet sind, deren Gewicht mit zu bestimmen. Dies ist hier auch für die Handlungen der Fall, die der Verurteilung wegen Gewaltdarstellung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Billigung von Straftaten zugrunde liegen. [...]