LG Münster

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Zitieren als:
LG Münster, Beschluss vom 17.01.2019 - 5 T 596/18 - asyl.net: M27511
https://www.asyl.net/rsdb/M27511
Leitsatz:

Haftantrag muss Angaben zur Zustellung des die Ausreisepflicht begründenden Bescheides enthalten:

Da sich aus dem Haftantrag gem. § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG die Ausreisepflicht der betroffenen Person ergeben muss, hat die Behörde darzulegen, dass ein zugrunde liegender Bescheid zugestellt wurde. Die bloße Behauptung, der Bescheid sei "wirksam öffentlich zugestellt", genügt nicht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, vollziehbar ausreisepflichtig, Zustellung, Rückkehrentscheidung, Ablehnungsbescheid, Ausreisepflicht, Haftantrag,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 5,
Auszüge:

[...]

Die Haftanordnung verletzt den Betroffenen schon deshalb in seinen Rechten, weil es an einem zulässigen, d.h. den gesetzlichen Anforderungen des § 417 FamFG genügenden Haftantrag der Ausländerbehörde fehlte und auf einen unvollständigen Antrag hin keine Haft angeordnet werden darf (Beschluss des BGH - V ZB 28/10 - vom 22.07.2010 m.w.N.). [...]

Im vorliegenden Fall fehlt im Haftantrag die nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG erforderliche Angabe der Tatsachen, aus denen sich die Ausreisepflicht des Betroffenen ergab.

Denn es genügt insoweit nicht, nur die bloße Tatsache der Ausreisepflicht zu erwähnen. Es müssen konkrete Umstände dargelegt werden, aus denen sich die Ausreisepflicht zweifelsfrei ergibt. Wenn sich - wie hier - die Ausreisepflicht des Betroffenen aus einem vollziehbaren Bescheid ergibt, muss der Haftantrag diesen Bescheid nicht nur - wie vorliegend geschehen - ausdrücklich benennen, sondern auch die wirksame Zustellung des Bescheides darlegen, wobei konkret mitzuteilen ist, aufgrund welcher Tatsachen von einer wirksamen Zustellung bzw. Zustellungsfiktion ausgegangen worden ist (vgl. Entscheidung des BVerfG - 2 BvR 1064/10 - vom 09.02.2012 Rn. 11 und 24).

Entgegen der Auffassung der Ausländerbehörde gilt das nicht nur in den Fällen, in denen der Betroffene die Zustellung des Bescheides ausdrücklich bestreitet. Ein Ausländer ist aufgrund eines entsprechenden Bescheides nur dann ausreisepflichtig, wenn ihm dieser Bescheid auch zugestellt worden ist oder zumindest als zugestellt gilt, so dass es zur Begründung der Ausreisepflicht dementsprechend auch Angaben zur Zustellung (bzw. Zustellungsfiktion) des Bescheides bedarf. Die Frage des Nachweises der Zustellung mag sich erst dann stellen, wenn diese bestritten wird. Davon zu trennen ist die Frage, welchen Anforderungen die Darlegung der Zustellung genügen muss.

Diesen Darlegungsanforderungen wird der Haftantrag nicht gerecht:

Die dem Antrag als Anlage beigefügte Zustellungsurkunde ist für die Frage der Zustellung des Asylbescheides vom ... 08.2016 bereits deswegen ohne jeden Belang, weil sie vom ... 06.2016 datiert und sich darum nicht auf den erst Wochen später ergangenen Asylbescheid beziehen kann. [...]

Die bloße Behauptung, der Bescheid sei wirksam öffentlich zugestellt worden, genügt aber zur Begründung des Haftantrages ebenfalls nicht (vgl. dazu z.B. Beschluss des LG Dortmund - 9 T 67/17 - vom 12.10.2017). Eine wirksame öffentliche Zustellung setzt nach § 10 VwZG voraus, dass der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Die diesbezüglichen Angaben im Haftantrag müssen das Gericht in die Lage versetzen zu prüfen, ob im Einzelfall die gesetzlichen Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung vorliegen und die öffentliche Zustellung wirksam ist. Entsprechender Tatsachenvortrag findet sich im vorliegenden Haftantrag jedoch nicht. Es fehlt schon jegliche Angabe dazu, aus welchem Grunde eine Zustellung des Bescheides unter der letzten bekannten Anschrift nicht möglich war. Die im Haftantrag erwähnte Abmeldung des Betroffenen von Amts wegen mit Fortzug nach unbekannt ist erst zum ... 08.2017 erfolgt und erklärt nicht, warum der Betroffene im Sommer 2016 nicht unter der bis dahin bekannten Anschrift erreicht werden konnte. Auch verhält sich der Antrag nicht dazu, ob eventuell ein Zustellungsbevollmächtigter für den Betroffenen benannt worden war. Dass der Ausländerbehörde nichts über die näheren Umstände und die vom Bundesamt offenbar angenommenen Gründe für eine öffentliche Zustellung bekannt gewesen sein mag, ist dabei ohne Bedeutung. Es ist Sache der Ausländerbehörde, den Haftantrag beim Amtsgericht zu stellen und ihn vorschriftsgemäß zu begründen. Wenn ihr Informationen dazu fehlen, muss sie bei den entsprechenden Stellen (hier beim Bundesamt) nachfragen und sich die notwendigen Informationen beschaffen. [...]

Der Hinweis des Amtsgerichts in seinem Nichtabhilfebeschluss darauf, dass der Betroffene bei seiner richterlichen Anhörung die Richtigkeit sämtlicher Angaben im Haftantrag bestätigt habe, geht bereits deshalb fehl, weil der Betroffene ausweislich des Anhörungsvermerks lediglich die im Antrag angegebenen Personalien als korrekt bestätigt hat. Dass der Betroffene auch die Tatsache der öffentlichen Zustellung zugestanden hätte, lässt sich dem Anhörungsvermerk nicht entnehmen:

Selbst wenn der Betroffene im Übrigen ausdrücklich eingeräumt hätte, dass das Bundesamt die öffentliche Zustellung des Asylbescheides angeordnet und durchgeführt hat, würde das noch nichts über die Wirksamkeit dieser Zustellung aussagen. Bei der Wirksamkeit der Zustellung handelt es sich um eine Rechtsfrage, die von Amts wegen vom Gericht zu überprüfen und nicht vom Betroffenen zuzugestehen oder abzustreiten ist. [...]