VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 31.07.2019 - 7 B 1368/19 - asyl.net: M27553
https://www.asyl.net/rsdb/M27553
Leitsatz:

Feststellung des Nichtbestehens eines Aufenthalts nach rechtswidriger Erteilung einer Aufenthaltskarte/EU

Die Notwendigkeit einer förmlichen Feststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügigkeitsG/EU über das Nichtvorliegen eines unionsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts besteht jedenfalls dann, wenn dem Familienangehörigen eines Unionsbürgers in der Vergangenheit eine Aufenthaltskarte/EU nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügigkeitsG/EU erteilt worden ist.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Drittstaatsangehörige, Verlust des Freizügigkeitsrechts, Feststellung des Nichtvorliegens des Freizügigkeitsrechts, Familienangehörige, Abschiebungsandrohung, EU-Staatsangehörige, Aufenthaltskarte, freizügigkeitsberechtigt,
Normen: AufenthaltsG § 59 Abs. 1, FreizügG/EU § 11 Abs. 2, FreizügG/EU § 3 Abs. 2, FreizügG/EU §5 Abs. 1, FreizügG/EU § 5 Abs. 4 S. 1, RL 2008/115/EG Art. 3
Auszüge:

[...]

Entgegen der im Beschwerdeverfahren dargelegten Rechtsauffassung der Antragsgegnerin ist im vorliegenden Fall für die Anwendbarkeit des Aufenthaltsgesetzes eine förmliche Feststellung des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach § 3 Abs. 2 FreizügigkeitsG/EU erforderlich.

Werden die in § 3 Abs. 2 FreizügigkeitsG/EU genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, so erwirbt ein Familienangehöriger eines Unionsbürgers nicht die Position eines Freizügigkeitsberechtigten und damit nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers unterliegt die Anwendung der allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften allerdings auch in diesen Fällen einer Einschränkung. Der Anwendung des Aufenthaltsgesetzes muss entsprechend § 11 Abs. 2 FreizügigkeitsG/EU ein Feststellungsakt der zuständigen Behörde vorausgehen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass für den in § 1 FreizügigkeitsG/EU beschriebenen Personenkreis  nach der Begründung des Regierungsentwurfs "zunächst eine Vermutung der Freizügigkeit gilt" (BT-Drs. 15/538, S.106). Die Regelung des §§ 11 Abs. 2 FreizügigkeitsG/EU zieht aus dieser Vermutung die Folge, dass es zur Widerlegung der Vermutung eines förmlichen Feststellungsverfahrens bedarf, mit dem die Behörde verbindlich über das geltend gemachte Freizügigkeitsrecht eines Unionsbürgers oder eines Familienangehörigen entscheidet (Hailbronner, a.a.O., § 11 FreizügigkeitsG/EU Rdnr. 43; VG Darmstadt, Urteil vom 3. März 20111 - 5 K 11/10.DA -, juris Rdnrn. 44 ff.). Die Rechtsgrundlage für eine solche Feststellung enthält § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügigkeitsG/EU. Diese Regelung erfasst alle Fallgestaltungen des Fehlens der Voraussetzungen eines EU-Freizügigkeitsrechts. Eine Feststellung gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügigkeitsG/EU kann daher auch dann getroffen werden, wenn die Voraussetzung des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU zu keinem Zeitpunkt bestanden haben. Entsprechendes gilt bei Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind (Hailbronner, a.a.O., § 5 Rdnr. 23a).

Die Notwendigkeit einer förmlichen Feststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügigkeitsG/EU über das Nichtvorliegen eines unionsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts besteht nach Auffassung des Beschwerdegerichts jedenfalls dann, wenn dem Familienangehörigen eines Unionsbürgers - wie hier im Falle der Antragstellerin - in der Vergangenheit eine Aufenthaltskarte/EU nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügigkeitsG/EU erteilt worden ist. [...]