VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 06.08.2019 - 2 K 7356/18 - asyl.net: M27566
https://www.asyl.net/rsdb/M27566
Leitsatz:

Zur Voraussetzung des wirtschaftlichen Interesses für Deutschland bei Aufenthaltserlaubnis für selbständiger Tätigkeit:

Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit gem. § 21 AufenthG ist ein "Mehrwert" für die inländische Wirtschaft erforderlich. Dieser ist gegeben, wenn die entwickelte Geschäftsidee zu nicht nur unwesentlichen Investitionen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen führt. Dabei sind auch die Höhe des Kapitaleinsatzes sowie die Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation zu berücksichtigen. Allein die Prognose, die betroffene Person könne durch die geplante selbständige Tätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern, reicht nicht aus.

(Leitsätze der Redaktion; unter Bezugnahme auf VG Berlin, Urteil vom 06. Juni 2019 – 35 K 240.18 V)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, selbständige Tätigkeit, selbständige Erwerbstätigkeit, Selbständigkeit, wirtschaftliches Interesse,
Normen: AufenthG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1,
Auszüge:

[...]

34 Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 1 AufenthG an den Kläger scheidet aus.

35,36 Nach dieser Bestimmung kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn (kumulativ)

1. ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,

2. die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und

3. die Finanzierung der Umsetzung gesichert ist.

37 Die Beurteilung dieser Voraussetzungen nach Satz 1 richtet sich insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und dem Beitrag für Innovation und Forschung (§ 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Bei der Prüfung dieser Erfordernisse sind die für den Ort der geplanten Tätigkeit fachkundigen Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligen (§ 21 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).

38 Der Kläger strebt zwar ohne Zweifel eine selbständige, d.h. nicht weisungsabhängige Tätigkeit an. Doch das erforderliche wirtschaftliche Interesse hierfür (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG) und damit im Zusammenhang stehende positive Auswirkungen auf die Wirtschaft (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) lassen sich nicht hinreichend erkennen. [...]

40 2. Unter dem somit erforderlichen wirtschaftlichen Interesse für sein Modell im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG ist mit Blick auf den in § 1 Abs. 1 AufenthG dargelegten Zweck des Aufenthaltsgesetzes, nämlich die Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern, das (volks-)wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Interesse der Bundesrepublik Deutschland zu verstehen (so insbesondere VG Berlin, Beschl. v. 06.06.2019 - 35 K 240.18 V - juris; Breidenbach, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand Mai 2018, § 21 Rn. 4). [...] Ein wirtschaftliches Interesse kann etwa gegeben sein, wenn ein ausländischer Unternehmensgründer eine tragfähige Geschäftsidee entwickelt hat, die zu nicht nur unwesentlichen Investitionen und Arbeitsplatzschaffungen führt, auch wenn diese nicht den Umfang der früheren "Regelvoraussetzung" erreichen. Dennoch sind bei einer Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG noch immer (auch) die Höhe des Kapitaleinsatzes sowie die Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation zu berücksichtigen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; vgl. nochmals VG Berlin, a.a.O.; Fehrenbacher, in: HTK-AuslR, Stand 2019, 2.1 zu § 21 Abs. 1). Mit anderen Worten: Es reicht nicht aus, dass der künftige Selbständige seinen Lebensunterhalt voraussichtlich auf Dauer sichern können wird, sondern es bedarf eines "Mehrwerts" für die nationale Wirtschaft. [...]