OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.05.2019 - 9 A 1434/18.A - asyl.net: M27602
https://www.asyl.net/rsdb/M27602
Leitsatz:

Pflicht des Gerichts zur sachgerechten Auslegung eines Klageantrags im Asylrecht:

1. Eine nach Ablauf der Klagefrist erfolgte Klarstellung des zunächst ausdrücklich nur auf die Asylgewährung gerichteten Klageantrags hinsichtlich der Ansprüche auf Flüchtlingsschutz, subsidiären Schutz und Abschiebungsverbote ist nicht wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.

2. Ein nicht sachgerecht formulierter Klageantrag ist in Anwendung von § 88 VwGO regelmäßig dahin auszulegen, dass die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote Gegenstand des Klagebegehrens sind, und zwar in dem aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. schon Urteil vom 15.4.1997 - 9 C 19.96 -) folgenden Rangverhältnis.

3. Lehnt das Verwaltungsgericht die Klage entgegen dieser Grundsätze als unzulässig ab, ist die Berufung gegen dieses Urteil jedoch nicht zuzulassen, denn weder besteht hinsichtlich dieser Fragen ein erneuter Klärungsbedarf, noch ist der Zulassungsgrund der Divergenz zu obergerichtlicher Rechtsprechung gegeben. 

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Klagefrist, Asylverfahren, Klageantrag, Berufungszulassung, Grundsätzliche Bedeutung, Divergenzrüge, Auslegung, Rechtsschutzziel,
Normen: VwGO § 88, AsylG 78 Abs. 3 Nr. 1, AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2
Auszüge:

[...]

16 Dementsprechend ist ein in der fristgerecht eingereichten Klageschrift nicht sachgerecht formulierter Klageantrag in Anwendung von § 88 VwGO – bei wie hier unstreitiger Einreise auf dem Landweg – regelmäßig dahin auszulegen, dass jedenfalls die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG, die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG Gegenstand des Klagebegehrens sind, und zwar in dem aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgenden Rangverhältnis.

17,18 Selbst ungeachtet etwaiger asyl- bzw. aufenthaltsrechtlicher Besonderheiten gebietet jedenfalls § 88 VwGO, das aus dem Parteivorbringen zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel zu ermitteln; dabei tritt der Wortlaut der Erklärungen hinter deren Sinn und Zweck zurück (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2015 - 5 B 16.15 -, juris Rn. 22, m.w.N.). [...]