OVG Thüringen

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Zitieren als:
OVG Thüringen, Beschluss vom 06.06.2019 - 3 ZKO 412/18 - asyl.net: M27617
https://www.asyl.net/rsdb/M27617
Leitsatz:

Kein Rechtsschutzbedürfnis bei Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift:

"Der um Rechtsschutz nachsuchende Ausländer im Asylverfahren gibt regelmäßig durch die nicht nur vorübergehende Aufgabe der Unterkunft ohne Mitteilung seines aktuellen Aufenthalts an die Beklagte und das Gericht (§ 10 Abs. 1 AsylG) oder zumindest an seinen Prozessbevollmächtigten zu erkennen, dass er sich einem regulären gerichtlichen Verfahren nicht mehr stellen will. Dies lässt vorbehaltlich der Besonderheiten des Einzelfalls die Schutzwürdigkeit seines Rechtsschutzinteresses entfallen."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, Rechtsschutzinteresse, ladungsfähige Anschrift, Asylverfahren,
Normen: AsylG § 33 Abs. 2 Nr. 2, VwGO § 82 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

Wie der Senat bereits für ausländerrechtliche bzw. nunmehr aufenthaltsrechtliche Verfahren entschieden hat (Beschluss des Senats vom 02.07.1999 - 3 ZEO 1154/98 - juris), gibt der um Rechtsschutz nachsuchende Ausländer auch im Asylverfahren - wie hier - durch die nicht nur vorübergehende Aufgabe der Unterkunft ohne Mitteilung seines aktuellen Aufenthalts an die Beklagte und das Gericht (§ 10 Abs. 1 AsylG) oder zumindest an seinen Prozessbevollmächtigten zu erkennen, dass er sich einem regulären gerichtlichen Verfahren nicht mehr stellen will. Dieses Verhalten lässt den Schluss zu, dass der Kläger entweder in sein Heimatland zurückgereist ist oder die Bundesrepublik verlassen hat und das Rechtsschutzbegehren gegen die Beklagte deswegen nicht mehr weiter verfolgen will oder er gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 2 AsylG untergetaucht ist, was die Schutzwürdigkeit seines Rechtsschutzinteresses ebenfalls entfallen lässt (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris Rdn. 4 m. w. N.; Sächsisches OVG, Beschluss vom 10.05.2017 - 4 A 453/16.A - juris Rdn. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2002 - 21 A 1550/01.A - juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 18.08.2000 - 12 UE 420/97.A - juris Rdn. 8 m. w. N.). Allein die weiterbestehende anwaltliche Vertretung des Klägers gibt keinen Anlass, auf das Erfordernis der Adressenangabe zur Feststellung eines weiterbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses zu verzichten, wenn dem Kläger - wie ebenfalls hier - ein berechtigter Grund für die Verweigerung der Adressenangabe fehlt bzw. er ihn nicht geltend macht (Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris Rdn. 4 m.w.N.).

Unabhängig vom fehlenden bzw. weggefallenen Rechtsschutzinteresse stellt das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift zudem rein formal einen Verstoß gegen die auch im Rechtsmittelverfahren anwendbare zwingende Verfahrensvorschrift gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar, wonach dem Gericht die aktuelle ladungsfähige Anschrift eines Antragstellers bekannt gegeben werden muss (vgl. auch § 173 Satz 1 VwGO i. V. mit § 130 Nr. 1 ZPO). Dass dies auch dann gilt, wenn zwar in der Klageschrift zunächst eine ladungsfähige Anschrift genannt wurde, die Wohnungsanschrift des Klägers jedoch im Laufe des Verfahrens unbekannt geworden ist, ergibt sich aus § 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und im Hinblick auf die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung notwendigerweise im Urteil enthaltenen Angaben zur Wohnanschrift des jeweiligen Verfahrensbeteiligten (Beschluss des Senats vom 02.07.1999 - 3 ZEO 1154/98 - juris Rdn. 6 ff.; BVerwG, Beschluss vom 14.02.2012 - 9 B 79/11 u.a. - juris Rdn. 11; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris Rdn. 5 m.w.N.). Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Auch dies gilt für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten (Beschluss des Senats vom 02.07.1999 - 3 ZEO 1154/98 - juris Rdn. 9; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris Rdn. 5 m.w.N.). [...]