OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.08.2019 - 3 S 70.19 - asyl.net: M27625
https://www.asyl.net/rsdb/M27625
Leitsatz:

Die Ausländerbehörde ist verpflichtet, die Mitwirkungspflichten gegenüber einem Amtsvormund zu konkretisieren, um aus der mangelnden Mitwirkung negative aufenthaltsrechtliche Konsequenzen ziehen können. Daher ist das Unterlassen des Vormunds nicht (allein) der minderjährigen Person zuzurechnen, sondern im gleichen Maße der Ausländerbehörde selbst.

2. Das Unterlassen von Mitwirkungshandlungen ist nicht per se Falschangaben oder Täuschungshandlungen gleichzustellen. Vielmehr muss sie ein gewisses Maß erreichen, um sie aktivem Handeln gleichzustellen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Mitwirkungspflicht, Passbeschaffung, unbegleitete Minderjährige, Vormundschaft, Vertretenmüssen, Vormund, Amtsvormund, Hinweispflicht,
Normen: AufenthG §6 60a Abs. 2 S. 4, AufenthG § 60a Abs. 6,
Auszüge:

[...]

Demgegenüber weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass der am ... 2001 geborene Antragsteller am Tag seiner Vorsprache bei der Botschaft ... volljährig geworden ist, und er ggf. unterbliebene Mitwirkungshandlungen während seiner Minderjährigkeit - bis zum Tag der Vorsprache in der Botschaft ...  - nicht zu vertreten hat. Aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Nachweis des Amtsgerichts ... ergibt sich, dass zu seinem Vormund das Jugendamt des Antragsgegners als Amtsvormund bestellt war. Soweit diesen ein Verschulden an dem Unterbleiben von Mitwirkungshandlungen träfe, wäre dies nicht nur dem von ihm vertretenen Antragsteller, sondern in gleicher Weise dem Antragsgegner zuzurechnen. Anders als der Antragsgegner meint, ist es insbesondere nicht Aufgabe des Mündels, seinen Vormund darauf hinzuweisen, was dieser für ihn zu veranlassen habe. Unabhängig davon spricht der Umstand, dass der Amtsvormund des Antragstellers keinen Anlass gesehen hat, für ihn bei der Botschaft vorzusprechen bzw. ihn zur Vorsprache zu veranlassen, dafür, dass auch diesem dem Antragsgegner zugehörigen Amt die den Antragsteller treffenden ausländerrechtlichen Pflichten nicht geläufig waren, und es deshalb einer konkreten Aktualisierung dieser Pflichten durch die Ausländerbehörde bedurft hätte, um aus einer mangelnden Mitwirkung negative ausländerrechtliche Folgen ziehen zu können (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Januar 2018 - 19 CE 18.51 - juris Rn. 25; Beschluss vom 9. Mai 2018 - 10 CE 18.738 - juris Rn. 6; OVG LSA, Beschluss vom 17. April 2019 - 2 O 152/18 - juris Rn. 28). Insofern weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass die Verletzung von gesetzlichen Mitwirkungspflichten nach § 48 Abs. 3 und § 62 Abs. 1 AufenthG durch Unterlassen nicht per se eigenen Falschangaben oder Täuschungshandlungen gleich steht und eine mangelnde Mitwirkung ein gewisses Gewicht erreichen muss, um sie aktivem Handeln gleichzustellen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Januar 2018 -19 CE 18.51 - juris Rn. 25; Beschluss vom 9. Mai 2018 - 10 CE 18.738 - juris Rn. 6; OVG LSA. Beschluss vom 17. April 2019 - 2 O 152/18 - juris Rn. 28). [...]