Eilrechtsschutz auf vorübergehende Duldung muss gegen Land als Rechtsträger durchgesetzt werden:
"Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der auf die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gerichtet ist, ist gegen das Land Baden-Württemberg als Rechtsträger des für die Abschiebung zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe zu richten.
Ein solcher Antrag ist in der Regel jedoch unbegründet, wenn die der Abschiebung entgegengehaltenen Umstände in die Prüfungskompetenz der Behörden eines anderen Rechtsträgers fallen.
In die Prüfungskompetenz der für die Abschiebung zuständigen Behörde fällt auch, ob die Ausreisepflicht des Ausländers deshalb entfallen und eine Abschiebungsandrohung deshalb gegenstandslos geworden ist, weil der Ausländer Unionsbürger oder Familienangehöriger eines solchen i.S.d. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU geworden ist.
Dieser Personenkreis genießt grundsätzlich eine Freizügigkeitsvermutung, die eine Abschiebung erst zulässt, wenn die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen oder den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt hat."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
2. Der Antrag richtet sich mit dem Land Baden-Württemberg als Antragsgegner auch gegen denjenigen Rechtsträger (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), dessen Behörde den geltend gemachten Anspruch nach dem Vortrag des Antragstellers erfüllen soll, dafür zuständig ist und dabei die vorliegend aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen zu beantworten hat. Denn in die Prüfungskompetenz des Regierungspräsidiums Karlsruhe als für die Abschiebung zuständige Behörde fällt, ob die Voraussetzungen für die Vollstreckung der Ausreisepflicht vorliegen. Dies schließt die Prüfung ein, ob die Ausreisepflicht des Ausländers deshalb entfallen und eine Abschiebungsandrohung deshalb gegenstandslos geworden ist, weil der Ausländer Unionsbürger oder Familienangehöriger eines solchen i.S.d. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU geworden ist. Dieser Personenkreis genießt grundsätzlich eine Freizügigkeitsvermutung, die eine Abschiebung erst zulässt, wenn die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen oder den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt hat.
a. Begehrt der Ausländer im Wege des Eilrechtsschutzes die vorläufige Aussetzung einer bevorstehenden Abschiebung, ist passivlegitimiert stets der Rechts-träger der für die Abschiebung zuständigen Behörde (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 4). In Baden-Württemberg ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig. Der Antrag ist daher gegen das Land Baden-Württemberg zu richten. Begründet ist der Antrag in der Regel jedoch nur, wenn die Behörden des in Anspruch genommenen Rechtsträgers nicht nur für die Abschiebung zuständig sind, sondern darüber hinaus auch die Prüfungskompetenz hinsichtlich der materiellen Umstände haben, die der Abschiebung nach dem Vortrag des Antragstellers entgegenstehen sollen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 4). Sind für diese Umstände dagegen nicht Behörden des Landes Baden-Württemberg zuständig, sondern Behörden eines anderen Rechtsträgers (insbesondere der Bundesrepublik Deutschland oder der Gemeinden), ist der Antrag gegen diesen Rechtsträger zu richten. Er zielt in diesem Falle auf die Verpflichtung dieses Rechtsträgers, der für die Abschiebung zuständigen Behörde mitzuteilen, dass die Abschiebung nicht vor rechtskräftigem Abschluss des jeweiligen ausländer- oder asylrechtlichen Verfahrens durchgeführt werden darf (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.03.2019 - 11 S 459/19 -, juris Rn. 4). Diese Differenzierung sichert die gesetzliche Zuständigkeitsordnung. Sie verhindert, dass die für die Abschiebung verantwortliche Behörde implizit über Fragen entscheiden muss, deren Beantwortung anderen Behörden zugewiesen ist. Nur soweit dies aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten ist, kommt in Ausnahmesituationen auch eine Inanspruchnahme des Rechtsträgers der für die Abschiebung zuständigen Behörde in Betracht, wenn - insbesondere aus Zeitgründen - anders eine Sicherung des geltend gemachten Anspruchs nicht möglich erscheint (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 -, juris Rn. 12, und vom 04.03.2019 - 11 S 459/19 -, juris Rn. 4).
Dieser Differenzierung entspricht die Rechtsprechung des Senats, dass Eilanträge, mit denen die Aussetzung der Abschiebung zur Sicherung eines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens geltend gemacht wird, grundsätzlich gegen den Rechtsträger der für die Titelerteilung zuständigen Ausländerbehörde zu richten sind. Wird dagegen ein Anspruch geltend gemacht, der auf einem Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG) oder einem Abschiebungshindernis (§ 60a Abs. 2 AufenthG) beruht, ist der Antrag gegen das Land zu richten (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 -, juris Rn. 9 f., und vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 4). Entsprechend sind Eilanträge in asylrechtlichen Streitigkeiten gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten, wenn die der Abschiebung ggf. entgegenstehende Frage in die Prüfungskompetenz des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge fällt (vgl. § 31 AsylG), wozu auch die Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gehört (§ 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3 AsylG) sowie im Anwendungsbereich des § 34a AufenthG auch die Entscheidung über ein Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 AufenthG (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 -, juris Rn. 8, und vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 12), die ansonsten nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO dem Regierungspräsidium obliegt.
Damit ist sowohl dem Regierungspräsidium Karlsruhe als für die Abschiebung zuständige Behörde als auch dem Verwaltungsgericht im auf die Aussetzung der Abschiebung gerichteten Eilverfahren die Prüfung entzogen, ob ein ausländerrechtlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder ob ein asylrechtlicher Anspruch (§ 13 Abs. 2, § 24 Abs. 2 AsylG) besteht. Gleiches gilt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der die Ausreisepflicht begründenden Maßnahmen (vgl. § 50 Abs. 1 AufenthG), die anderen Behörden obliegen, wie dies etwa für die Ablehnung eines Titelerteilungsantrags (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), die Ablehnung eines Asylantrags oder die Abschiebungsandrohung (§§ 34, 35 AsylG; § 59 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 2 AAZuVO) der Fall sein kann. Ob diese die Voraussetzungen der Abschiebung begründenden Umstände (§§ 58 ff. AufenthG) aber vorliegen, ist vom Regierungspräsidium Karlsruhe stets zu prüfen. Zu prüfen ist damit das Vorliegen einer vollziehbaren Ausreisepflicht und eines Abschiebungsgrundes (§ 58 Abs. 1 und 3 AufenthG) sowie einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung, die Frage, ob die Ausreisefrist, soweit sie erforderlich ist, abgelaufen ist sowie, abhängig von der Zuständigkeit des Regierungspräsidiums, das Vorliegen oder die Feststellung von Abschiebungsverboten oder -hindernissen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 12). Das Regierungspräsidium hat damit zwar nicht die Rechtmäßigkeit der anderen Behörden obliegenden Entscheidungen oder Maßnahmen zu prüfen, wohl aber deren Existenz, soweit sie Voraussetzung der Abschiebung sind. [...]
Das Regierungspräsidium hat somit zu prüfen, ob der Ausländer Unionsbürger oder Familienangehöriger eines solchen i.S.d. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU ist und, wenn dies der Fall ist, ob das Nichtbestehen oder der Verlust des Freizügigkeitsrechts durch die zuständige Ausländerbehörde festgestellt worden ist. Die förmliche Feststellungskompetenz der Ausländerbehörde nach § 2 Abs. 7
Satz 1 FreizügG/EU bleibt davon unberührt, entbindet die für die Abschiebung zuständige Behörde zugleich aber nicht von der Prüfung, ob die Ausreisepflicht des Ausländers entfallen und eine Abschiebungsandrohung gegenstandslos geworden ist. [...]