VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12.09.2019 - 8 K 3521/18 - asyl.net: M27679
https://www.asyl.net/rsdb/M27679
Leitsatz:

Einheitliche Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bei Ausweisung und Abschiebung:

1. Ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer Ausweisung bestandskräftig, ist es aufgrund der einheitlichen gefahrenabwehrrechtlichen Zweckrichtung sachgerecht, eine darauf folgende Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots als Wirkung einer Abschiebung mit dieser nachträglich einheitlich zu bemessen.

2. Durch die neue Einfügung des § 11 Abs. 5a S. 3 und 4 AufenthG dürfte eine Verkürzung oder Aufhebung der Befristung der Wirkungen einer Ausweisung nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich sein (hier  nicht entscheidungserheblich).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Einreise- und Aufenthaltsverbot, Wirkung der Abschiebung, Wirkung der Ausweisung, deutsches Kind, nachträgliche Befristung, Ausweisung, Gefährder, Gefahr für die öffentliche Sicherheit, öffentliche Sicherheit, Abschiebung, Abschiebungsandrohung, Befristungsentscheidung,
Normen: AufenthG § 11 Abs. 5a S. 3, AufenthG § 11 Abs. 5a S. 4, AufenthG § 11 Abs. 1 S. 2, AufenthG § 11 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Es ist sachgerecht, die nachträglich auf die bestandskräftige Befristung der Wirkungen einer Ausweisung folgende Befristung der Wirkungen einer Abschiebung – wie im Falle zeitgleichen Ergehens – im Einklang miteinander zu bemessen. Denn beide Befristungsentscheidungen verfolgen letztlich einheitlich den gefahrenabwehrrechtlichen Zweck, den betroffenen Ausländer aufgrund einer von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit für eine bestimmte Dauer aus dem Bundesgebiet fernzuhalten (in diese Richtung wohl auch Maor, in: BeckOK Ausländerrecht, 22. Edition, Stand: 1. August 2019, § 11 AufenthG (a.F.), Rn. 19 ff. (21), der im Rahmen der Bemessung der Frist unabhängig von der Anknüpfungsmaßnahme der Befristungsentscheidung nach den jeweiligen Sachgründen für die Aufenthaltsbeendigung differenziert).

Eine Beschränkung bzw. isolierte Betrachtung der Entscheidungskriterien für die Befristungsentscheidung auf die die Wirkungen auslösende Maßnahme (Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung), ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des § 11 AufenthG. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15. September 2014 – 3 Bs 185/14 –, juris, Rn. 14 (zur Berücksichtigung strafrechtlicher Verurteilungen im Rahmen der Befristung der Wirkungen einer Abschiebung ohne vorangehende Ausweisung)).

Für einen materiellen Gleichklang der Befristung der Wirkungen von Abschiebung und Ausweisung spricht zudem, wie oben dargestellt, der jeweils einheitliche entscheidungserhebliche Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. für den Fall zeitgleichen Ergehens einheitlich bemessener Befristungen der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung jeweils auf fünf Jahre OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2015 – 17 A 1836/13 – (n.v.); VG Hamburg, Urteil vom 20. Dezember 2017 – 2 K 2745/16 –, juris, Rn. 66 ff., ebenfalls zu einer Befristung der Wirkungen einer Ausweisung und Abschiebung jeweils auf zehn Jahre im Falle eines islamistischen "Gefährders"; VG Augsburg, Urteil vom 22. August 2018 – Au 6 K 18.555 –, juris, Rn. 62 ff., bzgl. der Befristung der Wirkungen einer Ausweisung und Abschiebung auf jeweils sechs Jahre; VG Augsburg, Urteil vom 21. November 2018 – Au 6 K 18.1190 –, juris, Rn. 66 ff. bzgl. der Befristung der Wirkungen einer Ausweisung und Abschiebung auf jeweils vier Jahre). [...]

Das zehnjährige Einreise- und Aufenthaltsverbot aus der bestandskräftigen Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit Bescheid der Beklagten vom ... steht bis zu seinem Ablauf einer etwaigen Rückkehr des Klägers in das Bundesgebiet entgegen, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Einen auf Verkürzung der Befristung der Wirkungen der Ausweisung gerichteten Antrag gemäß § 11 Abs. 4 AufenthG hat der Kläger – soweit ersichtlich – bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht gestellt. Ohne dass es vorliegend entscheidungstragend darauf ankäme, macht das Gericht im Übrigen darauf aufmerksam, dass einer Verkürzung oder Aufhebung der bestandskräftigen Befristung der Wirkungen einer Ausweisung nach dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 11 Abs. 5a Satz 3, 4 AufenthG nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich sein dürfte. [...]