OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.08.2019 - 1 A 2616/19.A - asyl.net: M27683
https://www.asyl.net/rsdb/M27683
Leitsatz:

Kein Abschiebungsverbot für alleinstehende Frau aus Marokko ohne Berufsausbildung:

"Es bestehen nach der aktuellen Erkenntnislage keine Anhaltspunkte dafür, dass eine erwachsene und erwerbs­fähige kinderlose marokkanische Staatsangehörige im Falle einer Rückkehr nach Marokko deshalb in eine ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründende existenzielle Notlage geraten wird, weil sie alleinstehend ist und keine Berufsausbildung hat."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Marokko, alleinstehende Frauen, Existenzgrundlage, Berufsausbildung, Abschiebungsverbot, Frauen,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Bereits im Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: April 2013) vom 23. Juni 2013 (Nr. 26 der Erkenntnisliste des Verwaltungsgerichts) ist auf Seite 17 ausgeführt, dass die Lebenssituation für alleinstehende (oft geschiedene) Frauen im großstädtischen westlich geprägten Bereich Marokkos eher unproblematisch sei. Eine Teilhabe am sozialen und wirtschaftlichen Leben sei die Regel. Dass diese (in späteren Lageberichten nicht mehr gesondert enthaltenen) Feststellungen trotz der allgemein bekannten fortschreitenden Modernisierung der Lebensverhältnisse in Marokko heute nicht mehr zutreffen könnten, hat die Klägerin in keiner Weise belegt und ist auch nicht erkennbar.

Nach den Ausführungen zur Situation von Rückkehrern in dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: November 2018) vom 21. Dezember 2018 (Nr. 43 der Erkenntnisliste des Verwaltungsgerichts) ist in Marokko sowohl die Grundversorgung der Bevölkerung als auch eine medizinische Versorgung auch mittelloser Personen (Carte RAMED) gewährleistet (Seite 21 f.). Zwar sei, was die Grundversorgung angehe, staatliche soziale Unterstützung kaum vorhanden; vielfach seien aber religiös-karitative Organisationen tätig. Bei der Betreuung Bedürftiger spiele nach wie vor die Familie die entscheidende Rolle. [...]

Eine derartige Gefahrenlage kann ausweislich der bereits wiedergegebenen Feststellungen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21. Dezember 2018 für die Klägerin im Fall einer Rückkehr nach Marokko auch nicht mit Blick darauf festgestellt werden, dass sie eine alleinstehende Frau ohne Berufsausbildung ist (vgl. insoweit ferner Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Marokko, Stand 10. Oktober 2018, Seite 31, 33 f.).

Namentlich kann die Klägerin in Marokko bei Bedürftigkeit Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, insbesondere karitativen Einrichtungen, erhalten. Diese Hilfswerke unterstützen alleinstehende Frauen – wenn auch primär, aber nicht ausschließlich solche mit Kindern – bei der Reintegration in die Familie, bei der Suche nach Arbeit und Wohnung, helfen bei administrativen Aufgaben, begleiten zu medizinischen Behandlungen und bieten psychologische Unterstützung und juristische Beratung an (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko vom 21. Dezember 2018 (Stand: November 2018), Seite 22, und Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Marokko, Bildungsprogramme, Förderungen, NGOs, Frauenhäuser für alleinstehende Mütter, 22. Mai 2017, Seite 2 und 5 ff.).

Zudem gibt es seit September 2017 ein von der Beklagten gefördertes Migrationsberatungszentrum in Casablanca. Dieses ist auch Anlaufpunkt für Rückkehrer aus Deutschland, die nach Arbeitsmöglichkeiten auf dem marokkanischen Arbeitsmarkt oder in Vorhaben der deutsch-marokkanischen Entwicklungszusammenarbeit suchen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko vom 21. Dezember 2018 (Stand: November 2018), Seite 22).

Ausgehend von dieser Auskunftslage ist nicht zu befürchten, dass die Klägerin nach einer Rückkehr nach Marokko in eine für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK AufenthG erhebliche existenzielle Notlage gerät. Sie ist auf die in Marokko vorhandene Grundversorgung und ergänzende Unterstützung durch private Hilfseinrichtungen zu verweisen. Auch bestehen keine Anhaltspunkte, warum die Klägerin ihren Lebensunterhalt in Marokko nicht durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit sichern kann. [...]