VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2019 - 3 K 10960/17.A - asyl.net: M27686
https://www.asyl.net/rsdb/M27686
Leitsatz:

Abschiebungsverbot hinsichtlich Angola wegen fehlender Existenzgrundlage:

Abschiebungsverbot für die Mutter eines Kleinkindes, da sie in Angola ganz auf sich gestellt wäre (ihre Mutter und der Vater ihres Kindes haben ein Bleiberecht in Deutschland) und sich angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage in Angola keine Existenzgrundlage schaffen könnte.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Angola, alleinerziehend, Frauen, Existenzminimum, Existenzgrundlage, Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Nach der Erkenntnislage gehört Angola zu den ärmsten Ländern der Welt. 54,3 % der Angolaner leben von weniger als 1,25 $ am Tag. Gerade die hohe Arbeitslosenrate unter den städtischen Frauen und Jugendlichen ist besorgniserregend. Die Urbanisierungsrate liegt heute bei 60 %. Während die Einwohnerzahl Luandas ständig wächst, ist gleichzeitig auch der informelle Sektor in den urbanen Gebieten geradezu explodiert. In Luanda machen die im formellen Sektor Beschäftigten gerade einmal 37 % der arbeitenden Bevölkerung aus, wobei die Mehrheit der Frauen nicht dort, sondern im informellen Sektor tätig ist (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Angola des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich vom 8. Mai 2015, S. 15 f.; CMI Report Nummer 6 "Urban poverty in Luanda, Angola" von April 2018, S. 15 f.).

Allerdings begründet dies allein nicht das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass gesunde, arbeitsfähige Männer und Frauen, die nach Angola zurückkehren, grundsätzlich in der Lage sein werden, für sich ein Einkommen jedenfalls am Rand des Existenzminimums zu sichern und sich den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in Angola zu stellen, so dass ihnen keine Verelendung droht.

In der Person der Klägerin liegen aber zwingende humanitäre Gründe vor, die gegen eine Aufenthaltsbeendigung und für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sprechen. Es ist schon äußerst fraglich, ob der Klägerin angesichts ihres kleinen - im ... 2018 geborenen - Sohnes die Aufnahme einer Beschäftigung zugemutet werden kann. Angesichts der besonders prekären Lage für Frauen in der Hauptstadt, auf welche die Klägerin wegen der nur dort noch verbliebenen "weiteren Familie" in Gestalt der Nachbarn und der Eltern ihrer jetzt in den USA studierenden Freundin angewiesen ist, spricht jedoch zur Überzeugung des Gerichts alles dagegen, dass es der Klägerin, die in Angola noch nie berufstätig war, durch erstmaligen Einstieg in den informellen Sektor gelingen könnte, sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage - fern des in Deutschland verbleibenden Kindsvaters , dem bestandskräftig eine Flüchtlingsanerkennung zur Seite steht - zu sichern. Sie kann auch nicht auf eine gemeinsame Rückkehr mit ihrer Mutter verwiesen werden, denn deren Erwerbsmöglichkeiten sind im Hinblick auf ihr Alter noch beschränkter, so dass diese jedenfalls Einnahmen, die das Existenzminimum von zwei oder sogar drei Personen sichern, nicht erzielen könnte (vgl. hierzu das Urteil vom heutigen Tage - 3 K 8446/17.A). Überdies kann ohnehin nicht auf eine gemeinsame Rückkehr mit ihrer vorgenannten - auch in Deutschland nicht mit ihr zusammen wohnenden - Mutter abgestellt werden, weil hinsichtlich deren kranken Ehemannes seitens des Bundesamtes (mit Bescheid vom 30. Dezember 2016) bestandskräftig das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt worden ist (Gz. ...-223). Schließlich verfängt auch die Argumentation im 3. Absatz auf Seite 7 des angegriffenen Bescheides nicht, denn die Verhältnisse im Heimatland haben sich seit ihrer Ausreise vor mehr als drei Jahren für die Klägerin nachteilig verändert. Sie und ihre Mutter haben in der mündlichen Verhandlung insoweit glaubhaft und im Wesentlichen übereinstimmend vorgetragen, dass in Luanda zwar noch die Nachbarn von damals seien, die seinerzeitigen Hauptanlaufstellen in Gestalt der Freundin der Mutter (jetzt Südafrika) und der Freundin der Klägerin (jetzt USA) aber entfallen seien und sie auch nicht mehr mit einer Unterstützung durch die Kirchenleute rechnen könnten, zu denen allesamt keinerlei Kontakt mehr bestehe. Daher kann heute von einem "geknüpften sozialen Netz" keine Rede mehr sein. [...]