VG Halle

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Zitieren als:
VG Halle, Urteil vom 28.06.2019 - 2 A 529/17 HAL - asyl.net: M27710
https://www.asyl.net/rsdb/M27710
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen drohender politischer Verfolgung in Benin:

Aktiven Mitgliedern der Oppositionspartei PRD droht wegen der Verschärfung der politischen Verfolgung im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im April 2019 politische Verfolgung.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Benin, PRD, Parti du Renouveau Démocratique, homosexuell, Änderung der Sachlage, interne Fluchtalternative, interner Schutz, politische Verfolgung,
Normen: AsylG § 3,
Auszüge:

[...]

Der Kläger ist Gründungsmitglied der PRD. Dies ist glaubhaft, weil seine Parteimitgliedschaft bereits in der Anhörung angegeben hat, obwohl er seinerzeit seinen Asylantrag nicht mit einer politischen Verfolgung begründet hat. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung ein den Erkenntnismitteln entsprechendes Bild der politischen Parteien in Benin zeichnen. Er kannte die Partei der vormaligen Präsidenten Boni Yayi, die FCBE (vgl. hierzu etwa: Zeit online vom 23. Juni 2019, "Ex-Präsident Boni Yayi verlässt Benin"; www.zeit.de/news/2019-06/23/expraesident-boni-yayi-verlaesst-benin-20190623-doc-1hr44v) und hat den Erkenntnismitteln entsprechend dargestellt, wie der im Jahr 2016 gewählte Präsident Patrice Talon die Opposition unterdrückt. Zudem hat er nachvollziehbar geschildert, dass er (nunmehr) politische Verfolgung fürchtet, weil zwei seiner Parteifreunde verhaftet wurden und weil weitere Kontaktpersonen aus seiner Partei Angst vor Überwachung und Verhaftung haben. Dass sich die politische Lage in Benin derzeit stark zum Nachteil verändert, ergibt sich aus aktuellen über das Internet einsehbaren Zeitungsartikeln und Nachrichtensendungen der französischen Fernsehsender France 24 und TV5 (jeune afrique vom 3. Mai 2019 abrufbar unter: www.ieuneafrique.com/770307/politique/legislatives-au-benin-les-resultatsdefinitifs-proclames-sur-fond-de-violences-post-electorales/; jeune afrique Bénin: au moins deux morts au cours d'une nouvelle journée de violences post-electorales à Cotonou vom 2. Mai 2019; https://www.ieuneafrique.com/770115/politique/benin-au-moins-deux-morts-au-cours-dune-nouvelle- iournee-de-violences-post-electorales-a-cotonou jeune afrique Legislatives au Benin: une partie de l'opposition s'estime « empechee d'aller au scrutin, abrufbar unter: https://www.ieuneafrique.com /742884/politique/legislatives-au-benin-une-partie-delopposition-sestime-empechée-daller-au-scrutin/ vom 28. Februar 2019; www.dw.com/de/benin-wahlen-ohne-opposition/a-48499375). Danach sind nur zwei regierungsnahe Parteien bei den Parlamentswahlen Ende April 2019 zugelassen worden. Keine Oppositionspartei hat das "Zulassungsverfahren" bestanden. Es gab infolge der Parlamentswahlen Ende April 2019 gewalttätige Unruhen, in denen die Polizei mit Schusswaffen auf die Demonstranten schoss, die sich gegen den Präsidenten Talon aussprachen und die die Wahlen Ende April 2019 nicht anerkennen (vgl. etwa France 24, Interview mit dem französischen Journalisten Gauthier Rybinski, einem Leitartikelverfasser für internationale Politik vom 2. Mai 2019; abrufbar unter: www.youtube.com/watch; TV5Monde vom 2. Mai 2019; www.youtube.com/watch. Gerade mit Blick darauf, dass in Benin weit über 100 Parteien, keine davon allerdings im ganzen Land, vertreten sind, (Stand offenbar 2001 de.wikipedia.org/wiki/Politische Parteien in Benin), bei der letzten Wahl 20 Parteien angetreten sind (https://www.nzz.ch/international/beninein-einstiger-musterstaat-wird-zur-scheindemokratie-ld.1478415) ist ersichtlich wie einschneidend die Zulassung von nur zwei regierungsnahen Parteien in der Wahl im April 2019 ist. Die Befürchtung des Klägers, der Mitglied der PRD ist, die immerhin in der Nationalversammlung vertreten war, dass der Präsident systematisch gegen die Opposition vorgeht, ist für das Gericht nachvollziehbar. [...]

Unter Berücksichtigung der konkreten Lebenssituation des Klägers (Gründungsmitglied der Oppositionspartei und sein Tätigsein als und dem Kontakt mit den anderen PRD-Mitgliedern in der derzeitigen unübersichtlichen politischen Lage in Benin und dem Unterdrücken der Oppositionsparteien, die durch die letzten Wahlen eindrucksvoll zu Tage getreten ist, ist es dem Kläger derzeit nach Überzeugung des Gerichts nicht zuzumuten, in sein Heimatland zurückzukehren. Seine derzeitige Furcht vor politischer Verfolgung ist für das Gericht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass er in einem anderen Ort in Benin Zuflucht nehmen könnte (§ 3e AsylG). Denn die Unterdrückung der Opposition durch den Präsidenten erfolgt im ganzen Land. [...]